Wer kennt Teodor Trajanow?
Kleine Erinnerung an einen zu Unrecht doppelt Vergessenen.
Er war ein eifriger Kaffeehausbesucher, nebenbei Student, Dichter und Schachspieler. Um 1900 studierte der aus Bulgarien stammende Teodor „Fedya“Trajanow (1882–1945) Architektur an der Technischen Universität, aber eigentlich studierte er wie Wilhelm Steinitz Schach im Café Central. Doch im Gegensatz zu Steinitz hatte er etwas anderes mit seinem Leben vor, als Schach zu spielen. Und er widerstand der Versuchung, als Architekt viel Geld zu verdienen. Er wurde Dichter, und zwar einer der bedeutendsten Vertreter des bulgarischen Symbolismus. Da man freilich weniger noch als mit dem Schachspiel mit Gedichten im Alltag überleben kann, wurde er zunächst im Brotberuf Sekretär in der bulgarischen Botschaft in Wien. Zu Beginn der 1920er-Jahre kehrte Trajanow nach Bulgarien zurück und widmete sich nur noch der Poesie. Er veröffentlichte mehrere Gedichtbände – stark beeinflusst von französischen Symbolisten wie Paul Verlaine oder Stéphane Mallarmé, aber auch von der Kultur des Fin de Siècle in Wien –, wohl am bekanntesten war Regina mortua aus dem Jahr 1909. Heute ist der Vermittler zwischen westeuropäischer und bulgarischer Moderne (Mladen Wlaschki) fast vergessen.
Fast vergessen ist er auch als Schachspieler, die Kombination des doppelten Vergessens von Dichter-Schachspielern ist nicht ungewöhnlich, bei Trajanow ist es doppelt ungerecht und zeigt, wie launisch doch Mnemosyne und Lethe, Erinnern und Vergessen, sind. Holen wir den Schachspieler für einen Moment aus dem Fluss des Vergessens
heraus: Seit seiner frühen Jugend (in der Unterstufe des Gymnasiums in Pasardschik) spielte Trajanow Schach mit großer Leidenschaft, einen Wettkampf mit dem besten bulgarischen Spieler, dem Mathematiker Dimitr Tabakow, hielt er, kaum 16 Jahre alt, unentschieden. Sein Schachtalent entfaltete sich dann in Wien im bereits erwähnten Wiener Café Central und im großbürgerlichen Wiener Schachklub, seinen beiden Hauptquartieren. Hier begegnete er Koryphäen wie Spielmann, Marco, Réti oder Tartakower, beobachtete ihr Spiel und lernte von ihnen. Oder wie der große Milan Vidmar von ihm sagte: „Er hat die hohe Wiener Schachschule absolviert.“Beschrieben wird
Trajanow als sanft, ungemein höflich – ausgestattet mit aristokratischen Zügen und Manieren.
Nach seiner Rückkehr nach Bulgarien spielte er aus Zeitmangel und schlechter Gesundheit immer weniger, setzte sich aber für die Organisation des Schachs ein. Er wurde immerhin 1931 zum ersten Präsidenten des bulgarischen Schachverbands gewählt, noch 1936 hielt er eine Simultanpartie gegen Aljechin unentschieden. Spätestens dann war ihm die Poesie das einzig Wichtige im Leben, die Erinnerungsspuren an Trajanow am Schachbrett verlieren sich. Hier eine hübsche Partie des Dichters und – zumindest damals noch – Schachspielers.
Trajanow – Pinkas 1922
Sofia 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Lc4 Im Gegensatz zu 3.Sxe5 und 3.d4 ein seltener Gast in der russischen Verteidigung. 3… Sxe4 Der Härtetest. Schwarz kann mit 3… Sc6 ins gebräuchlichere Zweispringerspiel einlenken. 4.De2 Tricky. Weiß kann auch mit 4.Sc3 Sxc3 5.bxc3 f6 6.Sh4 g6 7.f4 einen Bauern für gute Initiative opfern. 4… d5 5.d3 Aktiver ist 5.Sxe5 Le7 (oder Mamedyarovs 5… Lc5) 6.0-0 0-0 7.d4 Lf5 8.Ld3 mit gleichen Chancen. 5… dxc4 6.dxe4 Nach 6.Dxe4 Ld6 7.0– 0 cxd3 8.Sxe5 0–0 9.Sxd3 Te8 hat Schwarz Entwicklungsvorsprung. 6... Lg4 7.Sc3 Es ging auch 7.Dxc4 Sc6 8.Le3 Dd6 ohne Schaden. 7... Lb4 Noch besser sieht 7… Sc6 8.Le3 Sd4 9.Lxd4 cxd4 10.Td1 c5 aus. 8.Dxc4 Lxf3? Hier war 8... Sc6 geboten; nach 9.Le3 Lxf3 10.gxf3 0-0 11.Tg1 ist alles offen. 9.Dxb4! Ein überraschender Zwischenzug, Schwarz kommt nicht mehr zur Rochade. Schwächer wäre 9.gxf3 Sc6 10.Le3 Lxc3+ 11.bxc3 0–0 gewesen. 9... Lxg2 Danach geht es rasch bergab, ebenso wie nach 9... Lg4 10.Lg5! f6 11.Dxb7 Sd7 12.Le3. Einzig 9… Sc6 10.Dxb7 Sd4 war noch eine Möglichkeit. 10.Tg1 Sc6 Auch nach 10... Lf3 11.Txg7 Sc6 12.Dxb7 Sd4 13.Sd5! hat Schwarz keine Chance. 11.Dxb7 Sd4 Dieser Gegenangriff ist zu schwach. 12.Txg2! Die beste Lösung. Weiß opfert noch den Ta1 für einen durchschlagenden Angriff mit seinen vier verbliebenen Figuren. 12… Sxc2+ 13.Kf1 Sxa1 14.Dc6+ Kf8 15.Sd5 Tb8 Nach 15... h5 folgt das hübsche 16.b3! mit der Drohung 17.La3+ Kg8 18.De8+! Dxe8 (18… Kh7 19.Dxf7 nebst Matt in Bälde) 19.Sf6 matt. 16.Txg7!! Schlägt eine Bresche in die Königsfestung, Matt ist nun unvermeidlich. 16... Dd6 Wenn 16... Kxg7, so wie oben 17.Lh6+ Kg8 18.De8+! Dxe8 19.Sf6 matt. 17.Lh6!! Die Pointe der großen Kombination! Falls 17… Dxc6, so 18.Tg8+ Kxg8 19.Se7 matt und selbst 17… Dxh6 18.Dxh6 Ke8 19.Df6 Kd7 20.Txf7+ Ke8 21.Sxc7 wird matt, daher 1–0.