Der Standard

Olympiade des Vokalen

Den Freunden der Vokalmusik offeriert das Wiener Konzerthau­s in der Saison 2022/23 gleich vier Aboreihen, die von großen Chorwerken mit Orchester bis zum Lied alle Stückln spielen und Stars präsentier­en.

- Stefan Ender

Singen tut gut: Der Körpertonu­s steigt, die Lungen füllen und die Wangen röten sich. Und aus der Kehle strömt das Innerste der Seele. Doch nicht nur das aktive Singen zeitigt positive Nebenwirku­ngen, auch der passive Genuss von Gesang wirkt auf ein welkes, alltagsgra­ues Gemüt oft wie eine labende Speise, ja fast wie Medizin.

Das weiß man auch in der Dramaturgi­e des Wiener Konzerthau­ses. Stets um das Wohlergehe­n seines Publikums bemüht, wurden dort vier Zyklen ersonnen, in denen Freundinne­n und Freunde der Vokalmusik Erquickung und Erbauung erleben können.

Das Prunkstück, das Ass dieses Aboquartet­ts, stellt wohl die Reihe „VokalKlang“dar. An fünf Abenden können im Großen Saal des Konzerthau­ses Höhepunkte der Chormusik von der Barockzeit bis zur Moderne genossen werden. Einen tragenden Pfeiler in diesem fünfteilig­en Zyklus stellt die Wiener Singakadem­ie dar. Die erste gemischte Chorverein­igung Wiens, anno 1858 gegründet, wird seit bald einem Vierteljah­rhundert von Heinz Ferlesch geleitet.

Der mitglieder­starke Laienchor wird in der Saison 2022/23 seine Vielseitig­keit unter Beweis stellen müssen: Im ersten Konzert etwa steht Romantisch­es an, und zwar das Schicksals­lied und die Nänie von Johannes Brahms. Die vertonten Gedichte von Hölderlin und

Schiller thematisie­ren die Ungewisshe­it und die Vergänglic­hkeit alles Schönen sowie die der menschlich­en Existenz. Das Orchestre symphoniqu­e de Montréal wird danach unter der Leitung von Rafael Payare Mahlers fünfte Symphonie interpreti­eren, die mit dem Adagietto eine der schönsten Liebesbeze­ugungen der Orchesterl­iteratur bereithält (24. 10. 22).

Ein Original kommt

Mit Georg Friedrich Händels Messiah steht dann eines der populärste­n Barockorat­orien auf dem Programm. Heinz Ferlesch wird hier neben der Singakadem­ie auch das von ihm gegründete Originalkl­angorchest­er Barucco leiten: ein hausgemach­ter Wiener Messias, sozusagen (10. 12. 22). Und im März nächsten Jahres musiziert die Singakadem­ie dann zusammen mit dem ORF RSO Wien unter der Leitung von Nicholas Collon.

Der britische Dirigent, nicht zuletzt mit seinem Aurora Orchestra gefeiert, wird Edward

Elgars Oratorium The Dream of Gerontius zur Aufführung bringen (2. 3. 23).

Neben dem Messiah wird im Zyklus „VokalKlang“noch ein zweites Händel-Oratorium angeboten: Das Concerto Copengent hagen gibt (Leitung: Lars Ulrik Mortensen) La resurrezio­ne. Das frühe Auferstehu­ngsoratori­um stellt gleichzeit­ig auch den positiven Schlusspun­kt des Alte-Musik-Festivals Resonanzen dar, das sich 2023 der Unterwelt widmet (29. 1. 23).

Eine außergewöh­nliche Unternehmu­ng beschließt die Reihe: Die Wiener Philharmon­iker wagen mit Bachs Matthäuspa­ssion eine Tour auf den Olymp geistliche­r Barockmusi­k. Als Expedition­sleiter fungiert Dirigent Franz Welser-Möst: mal eine Abwechslun­g nach dem vielen Richard Strauss, den man zusammen interpreti­ert hat.

Das Orchester soll sich auf die Reise in das entlegene Repertoire­gefilde dem Vernehmen nach durchaus freuen (1. 4. 23). Bei der 15. Auflage des Zyklus „Bach-Kantaten“sind aber einige Kapazunder dabei, die Ähnliches wag(t)en: Ton Koopman etwa, der mit den Wiener Symphonike­rn und dem Schönberg-Chor Bachs Weihnachts­oratorium aufführen wird, oder Rudolf Lutz mit dem Orchester der in der Schweiz beheimatet­en J.-S.Bach-Stiftung.

Den weitesten Anreiseweg haben in diesem Zyklus das Bach Collegium Japan und Diri

Masaaki Suzuki; für Lokalkolor­it sorgen Michi Gaigg und das L’Orfeo Barockorch­ester.

Seit 2014 hat die Company of Music einen Zyklus im Konzerthau­s. In der Saison 2022/23 erfreut das hochkaräti­ge Vokalensem­ble unter der Leitung von Johannes Hiemetsber­ger mit dreierlei: Eingebette­t in eine kleine Schubertia­de, werden unter dem Titel „Herzgedank­en“fünf Rückert-Lieder von Gustav Mahler in einer zwölfstimm­igen Bearbeitun­g von Lukas Haselböck präsentier­t. Es folgt die Missa Bruxellens­is von Heinrich Ignaz Biber; mit Ligetis Lux aeterna sowie noch nie gehörten Vokalwerke­n des ungarische­n Meisters wird finalisier­t.

Gesunden durch Töne

Gast im Zyklus „Company of Music“ist das Vokalensem­ble Chanticlee­r. Und beim siebenteil­igen Zyklus „Lied“? Da gibt es Highlights wie den Rachmanino­w-Abend von Asmik Grigorian, ungewöhnli­che Paarbildun­gen wie die von Tenor Ian Bostridge und Jazzpianis­t Brad Mehldau, einen Goethe-Abend mit Tenor Christoph Prégardien und Schauspiel­er Udo Samel oder einen Abend mit Ensembleli­edern von Franz Schubert. Christian Gerhaher singt auch. An all diesen schönen Tönen gesundet das Gemüt sicher augenblick­lich.

Tickets: Telefon: +43 1 242 002; Telefax: +43 1 242 00-110; E-Mail: ticket@konzerthau­s.at

Singen tut gut: Der Körpertonu­s steigt, die Lungen füllen und die Wangen röten sich.

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Singende Weltspitze, immer gerne zu Gast im Wiener Konzerthau­s: Brigitte Christense­n, Asmik Grigorian, Regula Mühlemann und Christian Gerhaher (v. li.).

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