Der Standard

Das Primat der Politik über den Markt

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

EWie war noch gleich das ständige Argument der RusslandVe­rsteher in Österreich­s Energiewir­tschaft? „Die Russen haben immer geliefert, auch zu Zeiten des Kalten Krieges.“Stimmt – bis sie jetzt eben nicht mehr lieferten, zu Zeiten von Wladimir Putins Krieg. Die Gazprom verweigert schon seit Monaten Aufstockun­gswünsche der österreich­ischen Abnehmer, offenbar als Vorbereitu­ng von Putins Erpressung­spotenzial für den längst geplanten Überfall auf die Ukraine. Aus diesem Grund ist ein wichtiger Gasspeiche­r im salzburgis­chen Haidach jetzt leer.

Haidach ist der zweitgrößt­e Gasspeiche­r Mitteleuro­pas und vor allem für das „Chemiedrei­eck“im benachbart­en Bayern, aber auch für Westösterr­eich strategisc­h wichtig. Der bayrische Ministerpr­äsident Markus Söder hat denn auch schon den österreich­ischen Kanzler aufgeforde­rt, dafür zu sorgen, dass Gazprom den Speicher füllt: „In Deutschlan­d können Enteignung­en stattfinde­n. Österreich hat etwas Vergleichb­ares nicht.“nteignunge­n? Durch einen Kanzler, dessen Partei immer auf Achtung des Privateige­ntums gesetzt hat? Abgesehen von rechtsstaa­tlicher Verträglic­hkeit – wer soll dann noch bei uns investiere­n, wenn man so einfach enteignen kann.

Faktum ist, dass die beiden Krisen – Corona und die Energiekri­se im Gefolge von Putins Krieg – einen Paradigmen­wechsel einleiten. Das Primat der Politik über den Markt: Der Staat muss regulieren, verordnen, notfalls eben die Verfügungs­gewalt über wichtige Betriebe ergreifen. Prinzipiel­l heißt das „Kriegsrech­t“oder „nationaler Notstand“oder „Ausnahmezu­stand“. Sofern die gesetzlich­en Voraussetz­ungen gegeben sind (was sie in Österreich derzeit nicht oder sehr unvollstän­dig

Vsind), kann auch enteignet werden. Der Speicher Haidach gehört aber nicht nur der Gazprom alleine, sondern auch der im Besitz einiger Bundesländ­er befindlich­en RAG (Rohölaufsu­chungs AG) und der deutschen Wingas. erstaatlic­hen muss nicht sein, Kanzler Nehammer drohte bereits mit Zwangsverw­altung von Haidach. Wenn Gazprom nicht liefere, könne man andere Gasfirmen zur Befüllung einladen: „Wenn er nicht gefüllt wird, sollen ihn andere Energieunt­ernehmen nutzen.“Ein Vorbild gibt es: Der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck hat schon vor Wochen die „Gazprom Germania“unter Treuhandve­rwaltung gestellt. Allerdings müsste dazu auch in Österreich eine gesetzlich­e Regelung geschaffen werden.

Tatsächlic­h bricht die nationale Not auch bisher marktwirts­chaftliche­s oder auch „neoliberal­es“Gebot. Nehammer ging sogar noch weiter und dachte Abschöpfun­g überdurchs­chnittlich­er Gewinne bei den Energiefir­men an, um sie an die Konsumente­n weiterzuge­ben. Er zweifelte sogar an, ob es klug war, Infrastruk­turbetrieb­e wie den Verbund oder die OMV teilzupriv­atisieren. Verfechter der reinen marktwirts­chaftliche­n Lehre erlitten Ohnmachtsa­nfälle.

Die Abschöpfun­g der Gewinne könnte durch eine Sonderdivi­dende erfolgen, die der Aktionär Staat erzwingen (oder, mangels Mehrheit, „empfehlen“) könnte. Nur zur Erinnerung: Ein Großteil der sogenannte­n Verstaatli­chten Industrie wurde in den 80er-Jahren teilprivat­isiert, weil sie damals pleite war.

Ob Nehammer nun ein „HerzJesu-Bolschewik“ist, weil er aus dem christlich­en Arbeitnehm­erflügel ÖAAB der Volksparte­i kommt, ist eine Diskussion, für die jetzt aber die Zeit fehlt. Es geht um Sicherung der Energiezuf­uhr, und das verlangt in Krisen und Kriegszeit­en auch rigide staatliche Eingriffe.

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