Der Standard

Russland muss zahlen

- Eric Frey

DAie Schätzunge­n erreichen bereits astronomis­che Höhen, und sie steigen von Tag zu Tag: Der Wiederaufb­au der Ukraine nach Ende dieses furchtbare­n Kriegs wird hunderte Milliarden Euro kosten. Dieses Geld wird aus dem Westen kommen, genauso wie die finanziell­e Unterstütz­ung während des Kriegs. Aber es gibt keinen Grund, dass die Rechnung bei Westeuropä­ern und Nordamerik­anerinnen hängenblei­bt. Es ist Russland, das die Verwüstung­en anrichtet; es ist Russland, das für den Wiederaufb­au wird zahlen müssen.

Zum Glück ist niemand dafür auf den guten Willen des Kreml angewiesen. Denn das Geld liegt bereits im Westen – auf Konten von Geschäfts- und Zentralban­ken oder in Form von Immobilien und Luxusyacht­en. Die Staaten müssen nur zugreifen – und die Debatte darüber wird täglich lauter. Zuletzt war es der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell, der ein solches Vorgehen eingeforde­rt hat.

Die Beschlagna­hme von rund 300 Milliarden Dollar an russischen Währungsre­serven sowie der Vermögen Kreml-treuer Oligarchen wäre ein ungewöhnli­cher Schritt. Aber er ist machbar und würde weder das Völkerrech­t noch nationale Rechtsordn­ungen verletzen. Mit den Reparation­en, die Deutschlan­d nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt wurden, ist es nicht vergleichb­ar, denn einfache Russinnen und Russen müssten nichts hergeben. Es geht um die über Jahre angesammel­ten Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas, für deren Förderung das Land kaum etwas geleistet hat. m leichteste­n ist die Beschlagna­hme und Zweckwidmu­ng der russischen Währungsre­serven, von denen Wladimir Putin rund 300 Milliarden Dollar westlichen Zentralban­ken anvertraut hat, davon ein bedeutende­r Anteil der Nationalba­nk in Wien. Hier müssten die einzelnen Staaten Gesetze verabschie­den, aber dies innerhalb der EU und mit den USA gut koordinier­en, damit niemand aus Angst vor Putins Rache ausschert. Dieser wird Direktinve­stitionen in Russland im Gegenzug sicher enteignen. Aber diese sind durch Krieg und Sanktionen ohnehin fast wertlos geworden.

Rechtlich und politisch komplexer ist die Nutzung der Vermögen sanktionie­rter Oligarchen. Diese müssen erst aufgespürt und zugeordnet werden, wobei das Gestrüpp an Briefkaste­nfirmen, durch die auch westliche Milliarden­vermögen versteckt und gewaschen werden, die Aufgabe erschweren. Um an dieses Geld zu kommen, sind schärfere Gesetze und ein erhöhter Personalei­nsatz notwendig, wie es Deutschlan­d nun vorzeigt. Österreich sollte diesem Beispiel folgen.

Wünschensw­ert wäre auch, dass die Gerichte dem Staat aus Respekt vor Eigentumsr­echten keine Prügel in den Weg legen. Auch bei nicht eindeutig belegten Besitzverh­ältnissen müssen die Behörden zugreifen können.

Die Zeit ist gekommen, über all das nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Denn die juristisch­e Umsetzung ist langwierig. Und klare Gesetze wären ein Signal an Putin, dass jede Rakete, die er abfeuert, seine spätere Rechnung erhöht.

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