Der Standard

HALLO, WIE GEHT’S?

- Fragt Manfred Rebhandl

Jana ist 47, es geht ihr gut. Die Fotografin wurde in der ehemaligen Sozialisti­schen Sowjetrepu­blik Kasachstan geboren und lebte ab 1980 mit ihrer Familie in Almaty in einer „Chruschtsc­howka“, eine umgangsspr­achliche Bezeichnun­g für meist in den 1960er-Jahren errichtete Plattenbau­ten: „Da gab es ein Programm, dass jeder eine eigene Wohnung bekommen sollte. Sie haben ganz schlechte Häuser gebaut, vier Stockwerke, es rinnt alles von oben nach unten, die Nachbarn von unten klopfen: Wir haben Wasser von euch! – Ja, wir haben es von oben! Dann klopfst du oben, aber die sperren nicht auf, weil sie genau wissen, worum es geht, usw. Die Wohnung hat, ich darf das gar nicht sagen, 27 Quadratmet­er, es gibt einen Balkon, der abgeknickt ist. Wir lebten dort zu viert, hatten Mäuse und andere Tiere. Meine Mutter wohnt noch immer dort, sie zahlte monatlich 27 Rubel, nach 20 Jahren gehörte sie ihr.“

Die Wohnung liegt im achten Mikrorajon der Stadt, einem Schlafbezi­rk, und mit den Autobussen 35A und 56A fuhr Jana immer allein zur Schule. Die zentrale Heizung konnte nicht auf- oder abgedreht werden. Im Winter war es daher saukalt, weil die Regierung nicht heizte, aus Angst, die Gasvorräte würden zu früh aufgebrauc­ht werden. Das waren sie dann aber nie, also musste im Mai alles verheizt werden, wodurch die Wohnung unerträgli­ch heiß war.

Trotz Armut sparte ihre Mutter so viel Geld, dass sie Jana einen Privatlehr­er für Klavier bezahlen konnte. Sie schaffte dann 15-jährig die Aufnahme ans Tschaikows­ky-Konservato­rium, eine der noch heute führenden Musikunive­rsitäten der Welt. „Mir wäre die Welt offen gestanden!“, lacht sie. „Aber dann kam ich nach Wien und wurde Fotografin.“

Manfred Rebhandl ist Schriftste­ller („Erster Mai“) und Reporter.

Er fragt Menschen in seiner Umgebung, wie es ihnen so geht. www.hallowiege­hts.net*

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