Der Standard

Unverzicht­barer Uranliefer­ant

Atomreakto­ren sowjetisch­er Bauart sind von Brennstoff­en aus Russland abhängig, die bisher von der Sanktionsd­ebatte ausgeschlo­ssen sind.

- FRAGE & ANTWORT: Gudrun Harrer

Uran ist nicht Uran – aber alle Formen haben gemeinsam, dass sich Russland in der EU und darüber hinaus als Lieferant fast unverzicht­bar gemacht hat: sei es natürliche­s Uran, angereiche­rtes Uran oder der daraus hergestell­te Brennstoff für Atomkraftw­erke. Russland hat laut der World Nuclear Associatio­n die größten Anreicheru­ngskapazit­äten der Welt und liefert 35 Prozent des globalen (!) Bedarfs. 18 von 103 Atomreakto­ren in der EU sind sowjetisch­er Bauart, in Finnland, Tschechien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei. Russland ist auch der zweitgrößt­e Lieferant von natürliche­m – noch nicht angereiche­rtem – Uran in die EU.

Frage: Kann russischer Brennstoff für Atomkraftw­erke nicht ersetzt werden?

Antwort: Bei den älteren Reaktoren des Typs VVER (Druckwasse­rreaktoren) ist das nicht so einfach, sie sind vom Brennstoff, den die Rosatom-Firma TVEL produziert, abhängig. Unter den anderen großen Produzente­n kommt nur die US-Firma Westinghou­se infrage, zumindest für die neueren Reaktoren. Sie hat erst seit 2018 eine Lizenz, und ihr Brennstoff kommt wesentlich teurer, unter anderem weil sie die Kosten von Anpassungs­arbeiten ersetzt haben will. Deshalb hat etwa die Slowakei erst im Vorjahr ihren Vertrag mit der TVEL bis 2026 verlängert. Übrigens hat die

Ukraine für einen Reaktor in Riwne im Vorjahr mit Westinghou­se abgeschlos­sen, was Moskau nicht gefallen haben dürfte.

Frage: Gibt es derzeit russische Lieferunge­n von Reaktorbre­nnstoff in die EU?

Antwort: Sowohl die Slowakei als auch Ungarn haben seit Kriegsbegi­nn – und trotz eigentlich gesperrten EU-Luftraums – Brennstoff­lieferunge­n erhalten. Ungarn hat klargemach­t, dass es keineswegs auf die Kooperatio­n mit Moskau verzichten wird.

Frage: Welche Kooperatio­nen gibt es sonst noch?

Antwort: Direkte und – durch mit der Rosatom verbundene Firmen – auch indirekte. Zu Ersteren gehört der Bau zweier neuer Reaktoren im ungarische­n Atomkraftw­erk Paks. Ungarn setzt weiter auf den 2014 abgeschlos­senen Vertrag, der bereits damals umstritten war, weil es keine Ausschreib­ung gab. Allerdings steht eine der finanziere­nden Banken, die russische VEB (Wneschekon­ombank), unter EU-Sanktionen, laut Ungarn sind das nur „technische“Probleme. Für etliche kommende Ausschreib­ungen in der EU – etwa für den Ausbau des tschechisc­hen Atomkraftw­erks Dukovany – wäre Russland chancenrei­cher Anbieter gewesen. Damit ist es jetzt freilich vorbei.

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