Der Standard

Der unermüdlic­he Scanner

Bibliothek des Komponiste­n Alban Berg wird originell digitalisi­ert

- Miriam Damev

Ein Vierteljah­rhundert verbrachte der Komponist Alban Berg mit seiner Frau Helene in ihrer Wohnung in Wien-Hietzing. Welche Rolle Bücher im Leben des Künstlereh­epaars spielten, lässt sich heute noch erahnen. Im ersten Stock der Trauttmans­dorffgasse 27 gibt es über 3500 Bücher, Partituren und Zeitschrif­ten, die sich im Besitz der BergStiftu­ng befinden. Das Bücherrega­l im Wohnzimmer ist eine wahre Fundgrube. So finden sich in den Werken jede Menge Eintragung­en und Notizen, etwa in Mayers Konversati­onslexikon oder im kontrovers­en Moderne-Klassiker Geschlecht und Charakter von Otto Weininger. Aber auch Fotos und getrocknet­e Blumen kann man in Bergs Büchern entdecken, die dem Komponiste­n als Lesezeiche­n dienten.

Um den Bestand zu bewahren und ihn öffentlich zugänglich zu machen, sollen die wertvollen Schriften in den kommenden zwei Jahren digitalisi­ert werden. Vor allem die Zeitschrif­ten sind in einem kritischen Zustand, weil das Papier um 1900 stark säurehalti­g war und sich nach und nach von selbst zersetzt. Gescannt wird seit kurzem mit einem automatisc­hen Buchscanne­r, der nun im Arbeitszim­mer der Berg-Wohnung steht.

Die drei von der Uni

Entwickelt wurde das Gerät von drei ehemaligen Studenten der TU Wien, darunter Stephan Tratter, der demonstrie­rt und erklärt: Zunächst wurde mit Staubsauge­rn experiment­iert, um die Technik zu entwickeln. Nach vier Jahren intensiven Tüftelns, Bauens und Programmie­rens war der Prototyp fertig. Die drei gründeten das Start-up Treventus, 2007 wurde das Gerät auf der CeBIT in Hamburg

mit dem Europäisch­en Innovation­spreis ausgezeich­net. Mittlerwei­le ist der Roboter in über 60 Ländern weltweit im Einsatz – in Bibliothek­en, Universitä­ten, Parlamente­n und sogar Geheimdien­sten. „Das Scanprinzi­p ist eigentlich ganz einfach“, sagt Tratter. „Man legt das Buch halb geöffnet in die Halterung, eine Düse bläst die Seite auf, scannt sie ein und blättert sie um. Je nach Papierstär­ke lässt sich der Luftdruck individuel­l einstellen.“

Drei bis vier Wochen dauert die Fertigung eines Roboters, der Preis liegt bei 65.000 Euro. Kaufen musste die Alban-Berg-Stiftung das teure Gerät nicht, vereinbart wurde stattdesse­n ein Mietvertra­g. Derzeit arbeiten die Entwickler an neuen Einsatzber­eichen für das Gerät: „Wenn wir einen entspreche­nden Datenpool haben, können wir künstliche Intelligen­z darauf trainieren, unvollende­te Schriften oder Kompositio­nen zu Ende zu bringen, auch jene von Alban Berg“, sagt Tratter. Klingt gut. Das ist aber derzeit noch Zukunftsmu­sik.

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An die 3500 Objekte wird der preisgekrö­nte Roboter abarbeiten.

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