Der Standard

Drei Frauen und das Meer

Jola Wieczoreks erster Langfilm „Stories from the Sea“erzählt verschiede­ne mit dem Meer verbundene Schicksale von Frauen.

- Valerie Dirk

Der Film Stories from the Sea erzählt von drei Frauen, die das Mittelmeer durchquere­n. Zuerst ist da Jessica, eine aus einer Seefahrerf­amilie stammende Hamburgeri­n, die auf einem Frachtschi­ff ihre Ausbildung absolviert. Sie ist die einzige Frau in einer Crew aus Philippino­s, die sie respektvol­l mit „Schwester“adressiere­n. Jessica scheint angekommen in ihrer Arbeit, abends schickt sie Nachrichte­n an ihren Freund, der auf einem anderen Frachter arbeitet, und ab und an schwimmt sie im Meer.

Auch Amparo kennt das Meer. Die verwitwete Spanierin lebte lange an der nordafrika­nischen Küste und verbringt nun ihre Zeit auf Kreuzfahrt­schiffen mit anderen Pensionist­innen. Zwischen Unterhaltu­ngsprogram­m, kecken Erzählunge­n aus der Jugend und einsamen Szenen in der Kajüte – der Alltag in dem All-inclusive-Tempel ist überschaub­ar und vielleicht die Vorstufe zur Seniorenre­sidenz.

Schließlic­h sind da die selbsterna­nnten Revoluzzer. Eine Gruppe

junger Menschen unternimmt einen Segeltörn auf dem Mittelmeer. Es geht darum, Bekanntsch­aft mit dem Meer und mit den anderen zu schließen, denn die Passagiere stammen von vier Kontinente­n und haben sehr unterschie­dliche Beziehunge­n zum Meer: Neben den im Mittelpunk­t stehenden reschen Italieneri­nnen gibt es auch Personen mit Migrations­hintergrun­d an Bord, für die das endlose Wasser traumatisc­h besetzt ist.

Enttäuscht­e Vorfreude

Jola Wieczoreks erster Langfilm beobachtet diese Szenerien kommentarl­os. Eine preisgekrö­nte wuchtig-elegische Musikkompo­sition umschließt die Schwarz-WeißBilder des Kameramann­s Serafin Spitzer. Durch den Verzicht auf die verschiede­nen Blauschatt­ierungen des Meeres liegt der Fokus auf dessen Texturen und auf den Personen, die es auf unterschie­dlichen Schiffen durchpflüg­en.

Der unbeteilig­te Beobachtun­gsmodus führt dazu, dass die Haltung

der Regisseuri­n zu ihrem Gegenstand ungreifbar ist: Eine soziale, ökologisch­e oder politische Positionie­rung ist, falls überhaupt, nur angedeutet.

Je nach Schauplatz entfaltet Stories from the Sea unterschie­dliche Wirkungen. Das Segelboot birgt Irritation­spotenzial, wenn die europäisch­en Revoluzzer als Weltverste­her und Welterklär­erinnen inszeniert sind. Das Machtgefäl­le zwischen ihnen und teils stumm bleibenden migrantisc­hen Mitfahrern zeigt – trotz versöhnlic­hen Endes – das Scheitern des Experiment­s.

Auf dem Luxuskreuz­fahrtschif­f wirkt die Pensionist­in Amparo vor allem verloren – für den Maskenball verkleidet sie sich voller Vorfreude, wird aber enttäuscht durch BumBum-Musik und maskenlose Gäste. Trost spendet weder die Schiffsgem­einschaft noch das Meer. Verbrüderu­ng findet woanders statt: auf dem Frachter, wenn Jessica mit ihren philippini­schen „Brüdern“scherzt und Seefahrers­chmonzette­n singt. Ab 20. Mai

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Im Blick aufs Meer treffen Hoffnungen und Enttäuschu­ngen aufeinande­r: „Stories from the Sea“erzählt die Geschichte­n von drei Frauen, deren Leben mit dem Meer verknüpft sind.

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