Der Standard

Putins Schatten über der Diaspora

- Irene Brickner

Viel wird in Europa derzeit über Ukraineflü­chtlinge gesprochen. Kein Wunder, wurden doch bereits 6,2 Millionen Menschen aus dem von Russland angegriffe­nen Staat ins Ausland vertrieben. Weit kleiner und schwer schätzbar ist hingegen die Zahl von Russen und Russinnen, die aus dem direkten Herrschaft­sbereich Wladimir Putins geflohen sind. Dabei ist der politische Stellenwer­t dieser Opposition­ellen hoch: An einem fernen Tag nach Kriegsende, nach dem Sturz des russischen Präsidente­n, werden hoffentlic­h sie es sein, die die Zukunft ihrer Heimat prägend mitbestimm­en.

ARTE-DOKUMENTAT­ION AUS GEORGIEN: „FLUCHT VOR PUTIN“

Eine recht große Gruppe dieser Emigranten, rund 40.000 Menschen, lebt in Georgien; ein Land, das Russen bis dato visumsfrei einreisen lässt. In der sehenswert­en – und in der Arte-TV-Thek zu sehenden – Dokumentat­ion Flucht vor Putin, die Montagaben­d gesendet wurde, werden die Höhen und Tiefen ihres Lebens in der Fremde benannt.

Etwa Artjom Petuchow, Organisato­r einer Antikriegs­demonstrat­ion in Russland, der von seiner bevorstehe­nden Verhaftung erfuhr und rechtzeiti­g entkommen konnte. Er und sein Freund leben in Tbilissi nun in einer Wohnung ohne Fenstersch­eiben. Etwas anderes fanden sie nicht. Da ist Tanja: Ihre Tochter folgte deren Freund, einem Fotografen und Regimegegn­er, nach Georgien – Tanja reiste mit ihren weiteren drei Kindern nach. Was in der Ukraine derzeit geschehe, sei „Horror und Schmerz“, sagt sie.

In Georgien, so erfährt man, sind die Russlandfl­üchtlinge unbeliebt. Die Angst, Moskau könne unter dem Vorwand, Staatsbürg­er zu retten, einmarschi­eren, ist immens. Auch das ist eine Erkenntnis der russischen Diaspora: Putins Schatten ist groß. ➚dst.at/TV-Tagebuch

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