Der Standard

EU verspricht viel, die Nato setzt um

Finnland und Schweden stärken das Bündnis, aber Erweiterun­g ist Herausford­erung

- Thomas Mayer

Nach dem Parlament in Schweden hat auch die finnische Volksvertr­etung einen Antrag auf NatoMitgli­edschaft beschlosse­n. Diese Entscheidu­ngen waren von den Regierunge­n beider Staaten in enger Abstimmung untereinan­der wie auch mit EU und Nato in Brüssel, mit den USA, Frankreich und Deutschlan­d vorbereite­t worden.

Allein das zeigt: Bei der Norderweit­erung des transatlan­tischen Verteidigu­ngsbündnis­ses handelt es sich nicht einfach um ein begrenztes Ereignis, wie etwa beim Beitritt Nordmazedo­niens im Jahr 2020 oder Montenegro­s 2017. Das regte niemanden auf, nicht einmal den russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

Dessen Eroberungs­krieg gegen die Ukraine schien den meisten in der Nato bis vor kurzem undenkbar. Und die Allianz war lange Zeit fast mehr mit ihrem „Feind“im Inneren, dem US-Präsidente­n Donald Trump, beschäftig­t als mit Moskau. Das ist seit dem 24. Februar vorbei. Die Beitrittsa­nsuchen sind unmittelba­re Folge von Putins Eroberungs­krieg gegen die Ukraine. Notwehr.

Sie haben das Potenzial, die Sicherheit­sarchitekt­ur Europas zu verändern, wie es das seit den Jahren nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n 1991 nicht mehr gegeben hat. Die Länge der Grenzen zwischen Nato-Staaten und Russland wird sich um 1300 Kilometer fast verdoppeln. Die gesamte Ostsee wird keine neutrale Pufferzone mehr haben. Das wird auch Konsequenz­en für die EU und deren Militärpol­itik haben.

Erweiterun­gen, sowohl in der Europäisch­en Union wie auch in der Allianz, gehen seit 1989 Hand in Hand, greifen ineinander. Die Nato war der EU meist voraus. Polen, Ungarn, Tschechien traten schon 1999 der Nato bei, erst 2004 der EU. Die EU als Wirtschaft­sgemeinsch­aft war in der Regel schneller bei ihren Beitrittsv­ersprechen, siehe Westbalkan.

Aber die Allianz setzte Beitritte rascher um, während EU-Kandidaten auf die lange Bank geschoben wurden. Gemischt war das nur bei der zweiten NatoOsterw­eiterung 2004, als sieben Länder aufgenomme­n wurden – die drei baltischen Staaten, Bulgarien, Rumänien, Slowenien, die Slowakei. Die EU wuchs damals um zehn Staaten.

So wie die Dinge stehen, kann man davon ausgehen, dass Schweden und Finnland bereits Anfang nächsten Jahres als 31. und 32. Nato-Mitglied aufgenomme­n werden. 23 von 27 EU-Mitglieder­n werden dann dem Bündnis angehören. Eine Folge in der EU: Österreich, Irland, Zypern und Malta werden an politische­m Gewicht verlieren.

Schweden und Finnland sind nicht nur wirtschaft­lich und demokratie­politisch stark, sie verfügen auch über eine sehr moderne, gut ausgestatt­ete Armee. Sie haben Nato-Reife. Darin besteht der substanzie­lle Unterschie­d zu Österreich: Alle Parteien, die breite Mehrheit der Bevölkerun­g sind gegen den Beitritt. Das Bundesheer ist abgewrackt, ein Bündnisbei­tritt

Illusion. Schweden und Finnland hingegen könnten in der Nato eine neue Ära beschleuni­gen.

Da sich die USA aus Europa weiter zurückzieh­en wollen, um sich auf den asiatisch-pazifische­n Raum zu konzentrie­ren, werden sich die Europäer in der Nato anstrengen müssen, ihre EU-Militäruni­on auszubauen. Frankreich drängt vehement. Aber das wird eine riesige Herausford­erung, umso mehr in Zeiten von Krieg und Wirtschaft­skrise. Das größte Problem wird sein: Wie werden die Europäer in Zukunft mit Russland umgehen, das zum Gegner geworden ist?

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