USA fliegen mehr Babymilchpulver ein
Präsident Joe Biden reagiert auf akute Krise – Fachleute warnen vor selbstgerührter Nahrung
Washington – In den USA spitzt sich die Versorgungskrise bei Säuglingsnahrung zu. Präsident Joe Biden greift nach Angaben des US-Präsidialamts nun auf ein Rüstungsgesetz zurück, um die Engpässe in den Märkten zu beheben. Mit der Anwendung des Defense Production Act sollen die Hersteller bei der Beschaffung von Rohstoffen bevorzugt werden, die für die Erhöhung der Versorgung benötigt werden, teilte das Weiße Haus am Donnerstag mit.
Verkehrsflugzeuge des Verteidigungsministeriums werden zudem eingesetzt, um zusätzliche Säuglingsnahrung schnell aus anderen Ländern einzufliegen.
Die Regale für Babynahrung blieben in den USA zum Teil leer, nachdem US-Marktführer Abbott seine Produkte im Februar nach Beschwerden über bakterielle Infektionen zurückgerufen hatte. Zwar waren durch die Pandemie bereits Lieferketten gestört, doch der Ausfall des Produktionsstandorts war verheerend.
Laut einer Untersuchung des Handelsforschungsinstituts Datasembly war fast die Hälfte der Babynahrungsprodukte in den USA in der ersten Maiwoche landesweit vergriffen. In manchen Bundesstaaten wie Tennessee, Texas und Iowa lag die Rate noch höher.
Mehr Export in die USA
Abbott konnte sich zwar bereits mit der US-Arzneimittelbehörde FDA darauf einigen, dass das Werk wieder öffnen darf. Laut Schätzungen kann es jedoch bis zu zwei Monate dauern, bis die Produkte in den Supermarktregalen landen. Die führenden europäischen Hersteller Reckitt Benckiser und Nestlé haben am Dienstag angekündigt, mehr Babynahrung als gewöhnlich in die USA zu exportieren.
Doch die Verzweiflung bei den Eltern ist offenbar bereits so groß, dass einige überlegen, die Babynahrung selbst herzustellen. Laut Google Trends sind die Suchanfragen nach Rezepten in den vergangenen 30 Tagen um 2400 Prozent gestiegen. Doch Fachleute warnen eindringlich davor, die Nahrung selbst zusammenzurühren.
Vor allem in den ersten Lebensmonaten sei die richtige Ernährung wichtig, sagte Steven Abrams, ehemaliger Vorsitzender des Ernährungsausschusses der American Academy of Paediatrics, der BBC. So müsse etwa darauf geachtet werden, dass die Kinder genug Eisen für ihre Gehirnentwicklung erhalten. Im schlimmsten Fall könnten die Mangelernährungen zum Tod führen, so der Experte. Rezepte aus den 1950er-Jahren, die im Moment im Netz kursieren, seien für die damalige Zeit passend gewesen, doch die Forschung zur Muttermilch habe sich seither weiterentwickelt.
Die American Academy of Paediatrics empfiehlt Eltern, sich im Notfall an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu wenden und diese um Probepackungen zu bitten.
Kinder, die älter als sechs Monate sind, könnten auch mit Kuhvollmilch gefüttert werden. Das sei zwar nicht ideal und sollte auch nicht zur Regel werden, doch sei es noch besser als selbsthergestellter Milchersatz.
Von der Krise unverhältnismäßig stark getroffen wurden Frauen und Kinder aus Familien mit geringen Einkommen. Fast die Hälfte aller Muttermilchersatzprodukte wird durch Förderprogramme der US-Regierung finanziert.