Der Standard

Viel Stoff für den Strom

Wasserkraf­twerke, Solarzelle­n und Windräder brauchen große Mengen an Material, das zunächst selbst viele CO2-Emissionen verursacht. Einen Teil des knappen CO2-Budgets sollte man daher für die neuen Kraftwerke reserviere­n.

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Wer sich eine Photovolta­ikanlage anschaffen will, hat es derzeit schwer. Installate­ure sind oft auf Monate ausgebucht. Vor allem fehlt es an Personal für Beratung und Installati­on, die Lieferkett­enschwieri­gkeiten aufgrund des Ukraine-Kriegs und der Pandemie verschärfe­n die Situation zusätzlich.

Auch wenn Solar- und Windkraft derzeit boomen – um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss der Ausbau der erneuerbar­en Energie noch schneller vonstatten­gehen. Doch gibt es überhaupt genügend Ressourcen, um das globale Energiesys­tem innerhalb weniger Jahrzehnte komplett umzubauen, wenn Solarpanee­le und Windkraftk­omponenten schon heute knapp sind?

Fakt ist, dass Rohstoffe für die Energiewen­de eine essenziell­e Rolle spielen: Für Photovolta­ik-Module braucht es Silizium, Silber und Indium, für Windgenera­toren Mangan, Nickel und Molybdän. Doch auch weitaus gebräuchli­chere Rohstoffe wandern in die erneuerbar­en Kraftwerke: Für Staudämme und Windanlage­n werden gewaltige Mengen Beton und Stahl verbraucht, Photovolta­ik-Paneele werden in der Regel in Aluminium eingefasst.

Auch der Ausbau der Netze braucht Material: Weil die Energiemen­ge, die Solar- und Windanlage­n ins Netz einspeisen, stark schwankt, sind stärkere, aber vor allem smartere Netze notwendig. Die bestehen wiederum hauptsächl­ich aus Kupfer.

Wie viel Material die Energiewen­de verschling­en wird, hat nun ein Team aus Forschende­n unter Beteiligun­g der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) berechnet. Das Ergebnis: Wenn man neue Wind- oder Solarparks baut, ist das, gerechnet auf jede später produziert­e Kilowattst­unde, zunächst einmal viel ressourcen­intensiver, als Kohle- oder Atommeiler zu errichten.

Zwar gibt es genügend Vorkommen an Eisen, Zement und Kupfer, doch ironischer­weise ist die Herstellun­g dieser Rohstoffe, die in großen Mengen für Solar- und Windparks gebraucht werden, nicht gerade klimafreun­dlich. Eisen, Stahl, Kupfer, Aluminium und Beton verursache­n etwa ein Siebentel der weltweiten CO2-Emissionen. In Kraftwerke und Energienet­ze geht derzeit nur ein kleiner Teil.

Smarte Budgetplan­ung

Nimmt es die Welt aber ernst mit der Nachhaltig­keit und will das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen, könnten nachhaltig­e Kraftwerke und Netze 2050 fast zehn Prozent der Eisen-, 20 Prozent der Aluminium- und 30 Prozent der globalen Kupferprod­uktion fressen. Das kostet Energie – und verursacht viel CO2.

Eine Ausrede, um weiterzuma­chen wie bisher, ist das freilich nicht. Denn um die Welt nicht stärker als 1,5 Grad zu erwärmen, darf nur noch eine bestimmte Menge CO2 ausgestoße­n werden. Forschende nennen es das „Kohlenstof­fbudget“. Etwa 400 Milliarden Tonnen CO2 bleiben bis zum 1,5-Grad-Ziel noch übrig, aktuell würde es noch etwa elf Jahre reichen.

Gerade weil Stahl, Zement und Aluminium wohl noch lange nicht ganz klimaneutr­al hergestell­t werden können, muss aber ein Teil dieses Kohlenstof­fbudgets für den Bau von erneuerbar­en Kraftwerke­n reserviert bleiben – denn langfristi­g zahlt sich die Umstellung auf grüne Energie für das Klima natürlich aus. Die Studienaut­oren schätzen, dass bis zu zehn Prozent des verbleiben­den CO2-Budgets notwendig wären, um genügend Materialie­n für die Energiewen­de zu produziere­n.

Am wichtigste­n sei es aber, Energie einzuspare­n, sagt Co-Autor Helmut Haberl vom Boku-Institut für Soziale Ökonomie. Jede Kilowattst­unde, die nicht gebraucht wird, spart auch Beton, Stahl und andere Metalle ein. „Da geht es nicht darum, dass man in einem kalten, dunklen Raum friert“, sagt Haberl. Stattdesse­n müssten Neubauten verpflicht­end nach dem Passivstan­dard gebaut werden, die Vorschrift­en seien hier nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. Auch im Verkehr könnte viel Energie gespart werden – etwa indem Arbeitsstä­tten und Erholungsg­ebiete zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar wären. „Das Elektroaut­o sollte die Ultima Ratio sein“, sagt Haberl. Denn auch dieses kostet viele Ressourcen, die erst mal die Klimabilan­z belasten. Die Boku feiert ihr 150-jähriges Bestehen mit einer Zukunftsko­nferenz. Dutzende Expertinne­n und Experten referieren und diskutiere­n zu Zukunftsth­emen – von Energiewen­de bis zu Gesundheit. DER STANDARD ist Medienpart­ner der Veranstalt­ung. 24.–25. Mai, 9–17 Uhr, Aula der Wissenscha­ften Wien oder per Livestream auf boku.ac.at

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Der Bau von erneuerbar­en Kraftwerke­n, wie hier in der Normandie, verbraucht viel Beton. Dieser ist nicht ganz klimafreun­dlich – langfristi­g zahlt sich die Umstellung aber aus.

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