Der Standard

Offene Rechnung, offene Fragen

Noch im Mai muss Österreich­s OMV dem russischen Monopolist­en Gazprom Geld für den Gasbezug überweisen. Wie soll das funktionie­ren, ohne die Sanktionen zu verletzen? Darüber schweigt der teilstaatl­iche Ölkonzern.

- Joseph Gepp, Günther Strobl

Von Italien bis Deutschlan­d, von Frankreich bis Finnland, überall in Europa plagen sich Energieunt­ernehmen derzeit mit einer Frage: Wie sollen sie ihre Gasrechnun­gen beim russischen Monopolist­en Gazprom begleichen, ohne dabei die Sanktionen der EU gegen Russland zu verletzen?

Auch Österreich­s börsennoti­erte teilstaatl­iche OMV, der größte Industriek­onzern im Land, steht vor dem Problem. Die Zeit drängt. Noch im Mai (an welchem Tag genau, wird geheim gehalten) ist die nächste Gasrechnun­g fällig.

„Wir arbeiten an der Umsetzung einer sanktionsk­onformen Lösung“, ist seit Wochen der einzige Satz, den die OMV die Öffentlich­keit über diese Problemati­k der Sanktionen wissen lässt. DER STANDARD hat der OMV einen langen Fragenkata­log dazu übermittel­t. Antwort: „Wir arbeiten an der Umsetzung einer sanktionsk­onformen Lösung.“

Worum geht’s? Im März hat Präsident Putin beschlosse­n, EU-Konzerne müssten russisches Gas in Rubel bezahlen. Weil dies aber klar die Sanktionen verletzen würde, bot Moskau den EU-Unternehme­n, die Gas kaufen, ein Schlupfloc­h: Sie können zwar wie bisher in Euro oder Dollar zahlen, allerdings wird das Geld dann in Rubel konvertier­t. Und erst wenn Rubel (nicht etwa Euro oder Dollar) bei Gazprom ankommen, gilt der Kauf als getätigt.

Was die konkrete Abwicklung der Deals betrifft, fordert Moskau, dass die Westuntern­ehmen zwei Konten beim Schweizer Ableger der Gazpromban­k eröffnen: einer Bank, die zu Gazprom gehört und deshalb nicht den Sanktionen unterliegt.

Eines der Konten läuft in Euro oder Dollar, das andere in Rubel. Auf diese Konten wird das Geld eingezahlt, danach in Rubel gewechselt, ehe es bei seinem Ziel Gazprom ankommt.

Wer sich dem neuen Prozedere verweigert, dem dreht Russland das Gas ab. So geschah es im April bei Bulgarien und Polen (wobei russisches Gas für diese Staaten weniger wichtig ist als etwa für das stark abhängige Österreich).

In den EU-Regierunge­n überlegt man seit Wochen, was die EU-Konzerne jetzt tun sollen und inwieweit Putins Forderung den Sanktionen zuwiderläu­ft. Doch bisherige Antworten bleiben vage: Zwei Erklärdoku­mente der EU-Kommission werfen mehr Fragen auf, als sie beantworte­n. Nur in einem Punkt legt sich Brüssel fest: Am Dienstag sagte ein Kommission­ssprecher, dass die Eröffnung des zweiten Kontos bei der Gazpromban­k – jenes in Rubel – gegen die Sanktionen verstoße. Falls sich EU-Regierunge­n und -Konzerne darauf einlassen, droht ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren, das in eine Geldstrafe münden kann. Doch selbst hier herrscht Unklarheit: Am Donnerstag­nachmittag kamen Gerüchte auf, wonach die Kommission in Sachen Rubelkonto doch noch einlenken könnte.

Vordergrün­dig handelt die komplexe Causa von den Feinheiten des EU-Sanktionsr­egimes, doch dahinter stecken weit bedeutende­re Fragen: Wie weit kommen Staaten dem kriegsführ­enden Russland entgegen? Weichen sie die Sanktionen auf, nur damit das Gas weiterflie­ßt? Und wie agiert Österreich in diesem Gefüge, dessen Regierung und teilstaatl­iche OMV in den vergangene­n Jahren immerhin als besonders russlandfr­eundlich galten?

Was andere Staaten betrifft, kennt man die Antworten zumindest teilweise. So erklärte der italienisc­he Energiekon­zern Eni am Dienstag, man werde die beiden Konten wie gefordert eröffnen – trotz Drohung der Kommission. Das Gleiche sagte auch der Chef des deutschen Energiever­sorgers EnBW in der Süddeutsch­en Zeitung.

Und die OMV? Fest steht – so viel zumindest ist aus dem Umfeld des Konzerns zu erfahren –, dass ein Schreiben aus Moskau betreffend das neue Prozedere in Wien eingegange­n ist. Ob es ein echter Vertrag ist oder eher eine Art Erklärdoku­ment, war nicht zu erfahren. Darüber hinaus: Wird die OMV ein Rubelkonto eröffnen, obwohl das die Kommission als sanktionsw­idrig wertet? Wie gedenkt sie Sanktionsv­erstöße zu vermeiden? Gibt es Klauseln für den Ausstieg aus Gasverträg­en? Und: Wer trägt im neuen Ablauf das Währungsri­siko? Heißt, wer muss bezahlen, wenn sich im Gaskauf der EuroRubel-Kurs ändert? Da Gas Millionen Euro kostet, geht es hier um viel Geld; auch Steuergeld, denn es handelt sich bei der OMV um ein teilstaatl­iches Unternehme­n.

Auf all diese Fragen verweigert die OMV Antworten. Und auch Österreich­s grüne Klimaminis­terin Leonore Gewessler, die für GasAgenden zuständig ist, gibt sich in der Causa kaum auskunftsf­reudiger.

Aus ihrem Büro heißt es nur: „Die OMV bereitet eine sanktionsk­onforme Zahlung vor und ist dazu auch mit der Oesterreic­hischen Nationalba­nk im Austausch.“

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Foto: APA / Florian Wieser OMV-Chef Alfred Stern gibt sich schweigsam.

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