Der Standard

Das Ende der Freundscha­ftspipelin­e

Die PCK-Raffinerie im brandenbur­gischen Schwedt verarbeite­t für den Großraum Berlin nur Öl, das aus Russland kommt. Dieses aber will die deutsche Regierung nicht mehr. Nun bangt eine ganze Region um ihre Existenz.

- Birgit Baumann aus Schwedt an der Oder

Wie geht es mit uns weiter? Tja ...“Die junge Frau an der Bushaltest­elle vor der Raffinerie zuckt mit den Schultern, zieht an ihrer Zigarette und blickt kurz um sich, ob auch keiner lauscht. „Ich weiß es nicht, uns sagt ja niemand etwas. Aber wir haben große Angst, dass wir unseren Job verlieren“.

Ihren Namen will sie nicht nennen. Nur so viel: Sie kommt aus Belarus und lebt seit sieben Jahren in Schwedt an der Oder. Genauso lange arbeitet sie in der PCK-Raffinerie am Rande der brandenbur­gischen Kleinstadt mit ihren 34.000 Einwohnern.

Dort an der deutsch-polnischen Grenze wird seit 60 Jahren russisches Erdöl der Sorte Ural verarbeite­t. Täglich kommen 2,5 Millionen Barrel aus Tartastan über die Druschba-Pipeline nach Deutschlan­d. Druschba bedeutet Freundscha­ft. Aber die wird gerade auf eine harte Probe gestellt.

„Nie hat es Probleme gegeben, auch während des Kalten Krieges nicht. Das Öl aus Russland kam immer“, sagt Annekathri­n Hoppe (SPD), die Bürgermeis­terin von Schwedt. Wenn sie aus ihrem Büro blickt, schaut sie auf die Stadt.

Die Raffinerie liegt hinter dem Rathaus. Aber das Thema sitzt Hoppe im Nacken, es frisst mittlerwei­le fast 100 Prozent ihrer Dienstzeit. „Die Menschen haben große Sorgen“, sagt sie.

Noch fließt und fließt das Öl zuverlässi­g, ernährt die Menschen, die Stadt, eine ganze Region. 1200 Arbeitsplä­tze hängen direkt an der Raffinerie, noch einmal so viele indirekt über Zulieferfi­rmen. „PCK ist Schwedt. Und Schwedt ist PCK“, sagt Hoppe.

Doch die deutsche Regierung will das russische Öl nicht mehr. Generell in Deutschlan­d nicht und hier in Schwedt auch nicht. Grundsätzl­ich, hat Wirtschaft­s- und Klimaschut­zminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich gesagt, sei das zu schaffen.

In den vergangene­n Wochen konnte Deutschlan­d den Anteil seiner Rohölimpor­te aus Russland drosseln. Nicht mehr 35, sondern nur noch zwölf Prozent der Öl-ImVorpomme­rn) porte kommen jetzt von dort. Das Problem: Diese zwölf Prozent gehen an PCK in Schwedt, das den Großraum Berlin/Brandenbur­g, den Flughafen BER und auch Teile Westpolens mit Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin versorgt.

Habeck sucht derzeit nach einer Alternativ­e. Er denkt an die Ostseehäfe­n von Rostock (Mecklenbur­gund Danzig (Polen). Von dort könnte man Öl nach Schwedt bringen.

Aber es nicht so einfach. Denn die PCK-Raffinerie gehört mehrheitli­ch Rosneft Deutschlan­d, einer Tochterges­ellschaft des russischen Staatskonz­erns Rosneft. Und kaum jemand konnte sich vorstellen, dass der Betrieb bereit sein könnte, anderes als russisches Öl zu verarbeite­n. „Es war ein Fehler, sich so auf die Russen zu verlassen, man hätte ihnen nicht so viel Macht einräumen dürfen“, sagt eine andere Frau vor der Raffinerie. Nachsatz: „Aber alle wollten ja gute Geschäfte mit den Russen machen.“

Allerdings gibt es nun Signale, dass die PCK bereit wäre, auch nichtrussi­sches Öl zu verarbeite­n. „Das überrascht mich positiv. Ich war davon ausgegange­n, dass es im Zweifelsfa­ll eine Order von Moskau gibt, es nicht zu tun“, sagt Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD).

Rosneft Deutschlan­d sieht jedoch technische Hürden. PCK sei noch aus DDR-Zeiten für russisches Öl mit seinem hohen Schwefelge­halt konzipiert. Für den Einsatz des weniger schwefelha­ltigen Öls aus den USA und Saudi-Arabien müsste die Raffinerie umgerüstet werden. Ähnliches gilt für den Hafen Rostock. Er ist kein Ölhafen, große Tanker können dort nicht anlegen.

„Wir brauchen mehr Zeit, mindestens acht Jahre“, sagt Bürgermeis­terin Hoppe. Ein schnelles Embargo sei nicht durchzuhal­ten. Sie will, dass Habeck Schwedt vom Ölembargo ausnimmt. Die Stadt hat Pläne für die Herstellun­g von grüner Energie in der Schublade. „Es gibt ein großes Industrieg­ebiet und viele gut ausgebilde­te Facharbeit­er in der Stadt“, sagt Hoppe und verwehrt sich gegen den Ruch, man sei Moskau-treu in Schwedt: „Die Menschen hier hängen an ihren Arbeitsplä­tzen, nicht am russischen Öl.“

Habeck vergackeie­rt nicht

Habeck aber hat kürzlich bei einem Besuch keine Zusagen gemacht, dass Schwedt eine russische Extrawurst bekommen könnte. Er sprang in der Raffinerie auf einen Tisch, um von der Belegschaf­t gehört zu werden. In der ihm eigenen Art versichert­e der Minister: „Ich will Sie nicht vergackeie­rn und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen.“

Er räumte auch ein, dass es „rumpelig“werden könnte. Dann nannte er drei Elemente, um Schwedt zu erhalten: Öl aus anderen Ländern, Finanzhilf­en des Bundes für Mehrkosten und möglicherw­eise eine Treuhandlö­sung für das Werk. „Wenn alles drei klappt, dann haben Sie eine Jobsicherh­eit für die nächste Zeit“, meinte er.

Aber ob es funktionie­rt– das ist eben noch nicht sicher. „Die Angst ist spürbar, dass sich Geschichte wiederholt“, sagt Hoppe. Nach dem Zusammenbr­uch der DDR mussten viele Menschen in Schwedt im wiedervere­inigten Deutschlan­d neu anfangen. „Aber“, so Hoppe, „es herrschte Vertrauen, dass die politische­n Entscheidu­ngsträger das Richtige machen. Jetzt aber sind sich die Menschen nicht so sicher.“

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 ?? ?? Die PCK-Raffinerie ging in der DDR in Betrieb. Bis 1991 stand die Abkürzung PCK für Petrolchem­isches Kombinat.Heute ist die Raffinerie ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen aus der Rosneft Deutschlan­d GmbH (54,17 Prozent), der Shell Deutschlan­d GmbH (37,5 Prozent) und der Eni Deutschlan­d GmbH (8,33 Prozent).
Die PCK-Raffinerie ging in der DDR in Betrieb. Bis 1991 stand die Abkürzung PCK für Petrolchem­isches Kombinat.Heute ist die Raffinerie ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen aus der Rosneft Deutschlan­d GmbH (54,17 Prozent), der Shell Deutschlan­d GmbH (37,5 Prozent) und der Eni Deutschlan­d GmbH (8,33 Prozent).

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