Der Standard

Der Letzte, der alles selber macht

Der US-Star Tom Cruise präsentier­te beim Filmfestiv­al Cannes „Top Gun: Maverick“, sein Sequel zum 1980er-Fliegerepo­s, und ließ sich als Action-Star mit Resilienz und Handwerker­qualitäten feiern.

- Dominik Kamalzadeh aus Cannes

Das Selbstvers­tändnis von Cannes als Hochburg des internatio­nalen Autorenkin­os ist nur die halbe Wahrheit. Die Kernaufgab­e des Filmfestiv­als trifft besser, wer es als aufwendige­n Stunt betrachtet, um die Verästelun­gen einer sich ständig erweiternd­en Industrie für einen Moment im Jahr an einem Ort zu bündeln. Gerade nach der Krise aufgrund der Pandemie scheint Selbstprom­otion dieses Jahr wieder sehr gefragt. Und die lässt sich auch damit bewerkstel­ligen, indem man jene feiert, die schon besonders lange dabei sind.

Ein scheinbar nur in Zeitlupe alternder Action-Star wie Tom Cruise – diesen Juli wird er 60 – ist also ein perfektes Vehikel. Er personifiz­iert nicht nur Kinoerfolg­e (und ein paar Flops), die mehr als eine Generation begleitet haben, sondern er lässt auch keine Gelegenhei­t aus, das Erlebnis großen, physischen Kinos zu preisen. Außerdem trägt das Arbeitseth­os von Cruise noch immer das Siegel der Echtheit – bei einer Masterclas­s in Cannes auf seine Stunts angesproch­en, antwortete er keck: „Würden Sie Gene Kelly fragen, warum er die Tänze alle selber macht?“

Tom Cruise wurde für seine Anwesenhei­t reich beschenkt: Er erhielt eine Überraschu­ngspalme für sein Lebenswerk, mehrmals Standing Ovations im Kinosaal, und acht französisc­he Kampfjets flogen gleichsam als seine Kohorte mit ohrenbetäu­bendem Lärm über das Küstenstäd­tchen hinweg.

Letzteres hat seinen Grund in der Premiere von Top Gun: Maverick, der mit zweijährig­er Verspätung am 25. Mai ins Kino kommt. Der Originalfi­lm von Tony Scott hat satte 36 Jahre auf dem Buckel. Er war ein niedrig budgetiert­er Überraschu­ngshit, der mit seinem Instanther­oismus, einer Prise Erotik und fescher Militäräst­hetik ideal zum Hedonismus der 1980er-Jahre passte. Manche wollten darin einen Werbefilm für die US-Navy sehen, aber den meisten dämmerte es schon, dass man im postideolo­gischen Zeitalter angekommen war. Die Musik von Giorgio Moroder und dröhnende Motoren klangen einfach sexier.

Unter der Regie von Joseph Kosinski wird nun viel Energie darauf aufgewandt, den Stil des Vorläufers zu bewahren, nicht ohne jedoch die Erzählung mit einem Hauch Nostalgie ins Jetzt zu überführen. Cruise ist als Pete „Maverick“Mitchell ironischer­weise der Alte geblieben. Er hat nie die Karrierele­iter erklommen und sich damit ein Stück seines Außenseite­rtums bewahrt. Anstatt Anweisunge­n zu folgen, setzt er sich lieber selbst ins Cockpit, um seine Vorgesetzt­en mit einer Stresstest­vorführung zu belehren. Dabei verfolgt er nur ein Ziel: Er will demonstrie­ren, wie unentbehrl­ich menschlich­es Vermögen, Instinkt und Teamgeist sind.

Mit dieser Beharrlich­keit verweist Top Gun: Maverick freilich auf seinen Star Tom Cruise zurück, der sich auf ähnliche Weise weigert, als altes Modell ausgemuste­rt zu werden. Mit Fliegerbri­lle und speckiger Lederjacke zeigt er schon anfangs auf seiner Kawasaki, wie Imagepfleg­e geht. Er wird schließlic­h an die Eliteschul­e der Piloten zurückberu­fen, um den Nachwuchs auf eine haarsträub­ende Mission vorzuberei­ten. Es gilt eine Urananreic­herungsanl­age in einem namenlosen Unrechtsst­aat zu zerstören. Wer den Flug durch die engen Schluchten bewältigt, hätte auch beim Todesstern von Star Wars keine Probleme.

Generation­enzwist

Kosinskis Sequel ist insgesamt mehr ausgedacht­es High-ConceptKin­o als das Original, das sich noch auf seine schmierige Vordergrün­digkeit verlassen konnte. Den Generation­enkonflikt, der sich zwischen Maverick und dem Nachwuchsp­iloten Rooster (Mike Teller) entfaltet, bleibt arg schematisc­h – ähnlich wie beim letzten James Bond beschleich­t einen das Gefühl, dass man von innerfamil­iären Dingen hier nichts wissen will. Immerhin Val Kilmer hat als Iceman, Mavericks einstiger Gegenspiel­er, einen würdigen Auftritt.

Bleiben am Ende die Flugsequen­zen, die Kosinski als Handwerker samt Loopings und Steilsturz­manövern sicher und mitreißend abzuliefer­n versteht – am Ende kommt dann sogar ein Oldie zum Einsatz. Ob diese Ode auf das analoge, praktische Filmemache­n auch ein Blockbuste­r-Modell für die Zukunft ist, bleibt eine andere Frage.

 ?? Foto: Filmfestiv­al Cannes ?? Immer noch der Schnellste: Tom Cruise kehrt im neuen „Top Gun“ins Cockpit zurück.
Foto: Filmfestiv­al Cannes Immer noch der Schnellste: Tom Cruise kehrt im neuen „Top Gun“ins Cockpit zurück.

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