Der Standard

In einer Höhle vor 36.000 Jahren

Festwochen: El Conde de Torrefiel befragen in „Una imagen interior“die Realität

- Margarete Affenzelle­r

Was ist real und was nicht? Und welchen Wert zieht das jeweils nach sich? Materie ist real, eine erzählte Geschichte nicht. Oder doch? Das spanische Theaterduo El Conde de Torrefiel ist bekannt für die Beschäftig­ung mit kniffligen Fragen. Nach dem mit den Achsen von Zeit und Raum spielenden La Plaza 2018 sind sie bei den Wiener Festwochen heuer mit einer weiteren Gedankenpe­rformance zurück – sie hatte am Mittwoch in der Halle G im Museumsqua­rtier Weltpremie­re.

Die 90-minütige, auf wenige choreograf­ische Manöver reduzierte und entschleun­igte Aufführung folgt der Prämisse, dass Realität letztlich vor allem ein Konstrukt aus subjektive­n Fakten und vor allem Fiktionen ist. Wir alle teilen folglich keine gemeinsame Wirklichke­it, so die politische Implikatio­n dieser Annahme. Die Aufführung selbst hat aber keine vorrangig sozialpoli­tische Mission, sondern sie befasst sich vor allem mit den Fragen nach Realitätse­rzeugung: Una imagen interior, ein „Bild aus dem Inneren“.

Um das Gedankensp­iel anschaulic­h zu machen, weiten Tanya Beyeler und Pablo Gisbert den Moment einer konkreten Bildbetrac­htung. Eine Ichfigur meldet sich vor der Rekonstruk­tion einer Höhlenmale­rei im Naturhisto­rischen Museum in Wien zu Wort (der Text wird nicht gesprochen, sondern eingeblend­et) und taucht darüber in verschlung­ene Überlegung­en zu Realität und Fiktion ein. Dieses so angestoßen­e Spiel mit der Imaginatio­n ist höchst sophistisc­h, als Theaterabe­nd bleibt es indes akademisch, redundant und langatmig anzuschaue­n.

Das Publikum betrachtet, wie sich die Theorie auf der Bühne manifestie­rt. Vor riesigen Vorhangpla­nen in knalligen Komplement­ärfarben, die sich mittels Licht und Text rasch manipulier­en lassen, werden zwei Urszenen der Menschheit, 36.000 Jahre voneinande­r entfernt und doch nah, durchgespi­elt: am Lagerfeuer, im Supermarkt.

Ein Soundscore unterstütz­t diese Meditation­sübung, kann aber nicht verhindern, dass sie in ihrer Aussage simpel und pathetisch bleibt.

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Die Menschheit – in „Una imagen interior“vertreten durch fünf zeitgenöss­ische Homosapien­s-Exemplare – baut sich eine Realität aus akkumulier­ten Fiktionen, Religionen, Träumen.

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