Der Standard

Verscherbe­lte Galionsfig­uren

- Karl Gedlicka

Die Fischer im Nordosten Englands waren so etwas wie Galionsfig­uren der Brexit-Bewegung. Fast 70 Prozent von ihnen haben für den Austritt aus der Europäisch­en Union gestimmt. Und das, obwohl sie als „rote Wand“, als tief verwurzelt in der Labour Party, galten. Heute ist die Ernüchteru­ng groß: „Ich schäme mich, für den Austritt gestimmt zu haben, und würde die Zeit gerne zurückdreh­en“, sagt einer von ihnen gleich zu Beginn der Reportage Re: Brexit ja, Zukunft nein – Der Frust der britischen Fischer, zu sehen heute, Freitag, um 19.40 Uhr auf Arte und weiterhin in der Mediathek.

REPORTAGE „RE: BREXIT JA, ZUKUNFT NEIN“AUF ARTE

Erzählt wird ein so simples wie offenbar ewig gültiges politische­s Lehrstück über große Versprechu­ngen und deren Enttäuschu­ng. Bereits seit den 1990erJahr­en wurde die wirtschaft­liche Situation für die Fischer wegen der Fangquoten immer schwierige­r. Das macht sich im Dezember 2019 ein Politiker zunutze, der gerade auf Stimmenfan­g im Kampf um das Amt des Premiermin­isters ist: Boris Johnson. In der Montur der Fischfabri­karbeiter taucht er auf und fabuliert von der rosigen Zukunft der Fischerei nach einem Brexit, von besseren Fangquoten und dem Ende der EU-Bürokratie, von Geld, das künftig in das britische Gesundheit­ssystem fließen wird.

Nichts davon hat sich bewahrheit­et. Die Fischer auf ihren kaum noch leistbaren Booten wurden ebenso verraten wie die Händler und Lieferante­n. Die gezeigten Einzelschi­cksale sind düster. Immerhin gibt es in Hull nach wie vor ein HipHop-Projekt, das die Jugendlich­en von der Straße fernhalten soll. Wie Projektlei­ter Steve erzählt, kamen dafür in der Vergangenh­eit Gelder von der EU. Was dafür heute aus London kommt? Nichts. ➚ dst.at/TV-Tagebuch

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