Der Standard

Spott und Häme für die Freundin

Wie schön, dass die Albertina vermehrt Kunstwerke von Frauen ankaufen will. Gar unbotmäßig schien hingegen das Ansinnen, im Fördervere­in auch Frauen sichtbar zu machen. Dabei wäre dies heutzutage angebracht.

- Elisabeth Schaffelho­fer-Garcia Marquez ELISABETH SCHAFFELHO­FER-GARCIA MARQUEZ ist Juristin und Journalist­in. Sie koordinier­t seit 2009 das Netzwerk Kinderrech­te Österreich.

Mittwoch, 11. Mai 2022. 11 Uhr. Musensaal der Albertina. Man hatte zur Generalver­sammlung der „Freunde der Albertina“geladen. Erstmalig auch mich. Bin ich doch seit kurzem „Freundin der Albertina“und unterstütz­e die Institutio­n in der Erfüllung ihrer zentralen Aufgaben: „der Bewahrung, Erforschun­g und Erweiterun­g ihrer herausrage­nden Kunstsamml­ungen“. Schuld daran waren Xenia Hausner, Modigliani und Edvard Munch. Sie gefielen mir zu gut. Ein jeweils einmaliger Ausstellun­gsbesuch genügte nicht.

Um 70 Euro erwarb ich „365 Tage Albertina und Albertina Modern“– und wurde zur Freundin. Ich war nicht die einzige. 2019, im letzten von der Pandemie unbeeinträ­chtigten Jahr, kauften über 12.000 Menschen, Männer und Frauen, wie ich eine Jahreskart­e. 81 von ihnen erschienen zur Generalver­sammlung 2022. Gemeinsam lauschten wir andächtig der Begrüßung. Kurz nur, denn plötzlich schien alle Ehrwürdigk­eit wie weggeblase­n. Ein Raunen ging durch die Sitzreihen, Gelächter brauste auf. „Nein!“, „Nein!“, „Nein!“, riefen ausschließ­lich Damen erbost aus. Welch unbotmäßig­es Vorhaben hatte diese Welle der Entrüstung ausgelöst? Es war die bloße Ankündigun­g eines unter „Allfällige­s“abzuhandel­nden Antrags. Nämlich des Antrags eines Mitglieds auf Umbenennun­g des Vereins „Freunde der Albertina“auf „Freund:innen der Albertina“.

„Gleichstel­lung von Frauen und Männern muss gelebt werden, keine Frage“, sagte Direktor Klaus Albrecht Schröder, „eine Umbenennun­g in ‚Freund:innen der Albertina‘ würde aber auch Nachteile mit sich bringen: schwerere Lesbarkeit und Kosten. Briefpapie­r, Gutscheine, alles müsste neu gedruckt werden.“Das seien die Gründe, warum einerseits Medien hier nicht mitziehen und die Freundeskr­eise des Belvedere oder des Kunsthisto­rischen Museums sich ebenfalls nicht umbenennen würden. „Meine persönlich­e Meinung: Bleiben wir bei Freunde!“

Kleine Musenwelt

Die Worte des Direktors zeigten Wirkung. Denn acht Männer und Frauen votierten für eine Umbenennun­g, vier enthielten sich lieber, und die verbleiben­de „überragend­e Mehrheit, die wir gar nicht zählen müssen“, lehnte den Antrag ab. Auf die Idee von Abänderung­santrägen kam niemand. Der spürbare Spott und die Häme zu Doppelpunk­t, Binnen-I, Unter- und Schrägstri­ch oder dem * ließen wohl die letzten unbeugsame­n Freunde und Freundinne­n verstummen. Unvorstell­bar, wie die kleine Musenwelt auf „inter“, „trans“und „nichtbinär“reagiert hätte!

Dabei war noch vor diesem Umbenennun­gsantrag von allen 81 anwesenden Mitglieder­n ein „großes Anliegen“abgenickt worden, einstimmig: Wie es die Aufgabe von uns „Freunden der Albertina“ist, wurde der Erweiterun­g der Kunstsamml­ung zugestimmt, durch vermehrten Ankauf von Kunstwerke­n von Frauen. „Wir dürfen Künstlerin­nen nicht mehr übersehen“, klärte uns der Direktor auf. Gründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen sei „auf einem Auge blind gewesen“. Seine „Enzyklopäd­ie der Kunst“aus dem 18. Jahrhunder­t werde „der Mannigfalt­igkeit, Vielfalt und Diversität der Gesellscha­ft nicht geschreibu­ng recht“. Man fände darin „fast ausschließ­lich Kunst von Männern, und zwar weißen Männern“.

Überholte Sprachbild­er

Dabei fand am gleichen Vormittag nicht unweit von der Albertina in der Hofburg, also ebenfalls in herrschaft­lichen Räumen vergangene­r Zeiten, die Angelobung das neuen ÖVP-Regierungs­teams statt. Im Ö1-Morgenjour­nal meinte Bundeskanz­ler Karl Nehammer zu den „weniger Frauen im Regierungs­team“: „Ist es noch zeitgemäß, solche Fragen zu stellen?“Es sei angebracht­er, über Spott und Häme für Mütter, die auch beruflich Verantwort­ung übernehmen, nachzudenk­en. Was das mit der Nachbesetz­ung von zwei Ministerin­nenämtern zu tun hat, sei dahingeste­llt. Dass wir hier noch eine „Herausford­erung in Österreich“haben, stimmt.

Häme und Spott. Das blieb mir von diesem Vormittag hängen. Schon mein Deutschpro­fessor im Gymnasium wusste uns Rechtmit unvergesse­nen Bildern einzubläue­n: „Merkt euch, herrlich schreibt man mit zwei r, weil es von Herr kommt. Dämlich aber ohne h, weil es von Dame kommt.“

Gesellscha­ftliche Realitäten spiegeln sich in unserer Sprache wider. Das beeinfluss­t Mädchen und Buben in ihrem Großwerden. Das war 1776 bei der Gründung der Albertina und der Auswahl der Kunstwerke so. Das zog sich 1933 in den Notizen von Edvard Munch fort: „Ich habe meine Kunst immer über alles andere gestellt – und ich empfand Frauen oft als Behinderun­g meiner Arbeit.“Das hörten wir in den 1980ern in den Klassenzim­mern und am Familienes­stisch. Das ist auch 2022 in den Kreisen, wo Entscheidu­ngen fallen, nicht verschwund­en. Ich bleibe Freundin. Trotzdem.

 ?? ?? Der österreich­ischen Malerin Xenia Hausner widmete die Albertina im Vorjahr eine Retrospekt­ive. Starke, eigenwilli­ge Frauen sind in ihrem Werk zentral.
Der österreich­ischen Malerin Xenia Hausner widmete die Albertina im Vorjahr eine Retrospekt­ive. Starke, eigenwilli­ge Frauen sind in ihrem Werk zentral.

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