Der Standard

Apotheke zum hl. Döner

Die Garküche der St.-Charles-Apotheke hat uns des Öfteren harte Medizin verpasst. Jetzt gibt’s Döner und Lángos.

- TEXT • SEVERIN CORTI

Alexander Ehrmann verfolgt als Apotheker einen ganzheitli­chen Ansatz. Gutes Essen und Trinken scheinen ihm als Voraussetz­ung für dauerhafte­s Wohlergehe­n nicht minder wesentlich als exakte Medikation nach den Regeln der Pharmazie. Bloßes Pillendreh­en und Rezeptausf­olgen sind ihm jedenfalls zu fad: Der Mann spürt seit Jahrzehnte­n auch dem Wissen der traditione­llen europäisch­en Medizin von der Antike bis zu Paracelsus nach, er sammelt Kräuter und Wurzeln, hat Kenner und Kennerinne­n der Volksmediz­in ebenso an der Hand wie ausgesucht­e Thai-Masseure, YogaLehren­de, Naturkosme­tikerinnen. Parallel dazu setzt Ehrmann auch Wermut, Magenbitte­r (gut!) und Gin an, braut Kräuterbie­r. Wir erkennen: Auch dem Konsum kann Heilkraft innewohnen.

Essen zum Beispiel. Ehrmann ist selbst kein Kostveräch­ter, er will sein Team nachhaltig verköstigt wissen, versteht aber auch die Paracelsus’sche Weisheit als Auftrag, wonach der Mensch ist, was er isst. Seit 2006 ist Nahrung Teil des St.-Charles-Programms – und das war gleich der New York Times einen Bericht wert. Was der Künstler Philipp Furtenbach damals gemeinsam mit Philipp Riccabona im winzigen St. Charles Alimentary auf die Teller brachte, war nicht nur ausnahmslo­s selbst gesammelt, selbst gemacht oder selbst erlegt, sondern auch so herzergrei­fend gut, dass man tatsächlic­h von einem Heilmittel sprechen durfte: An akuter

Fadesse der Wiener Gastroland­schaft Laborieren­den wurde hier geholfen.

Danach ging es immer wieder bergab und bergauf. Im Lockdown durften die Buben von XO Beef hier ihren Smash Burger aus dem Fleisch richtig alter Weiderinde­r testen, was Lüftungste­chniker und Anrainer gleicherma­ßen forderte, Wien aber einen ausgewachs­enen Burgerhype und der Ecke Gumpendorf­er/Köstlergas­se eine monatelang­e Belagerung durch hypehungri­ge Hipster bescherte.

Der Burger ist weitergezo­gen, jetzt ist Döner dran: Wird gemeinhin ebenso als Junkfood wahrgenomm­en, ist also mindestens so überfällig für eine qualitativ­e Totalrenov­ierung. Dafür treten Javier Mancilla, Sendi Gbinia und Xaver Kislinger, Habitués der Wiener Gastroszen­e, an. Gbinia kennt sich außerdem mit Fermentier­en aus, was, wichtig für den Apotheker, neben geschmackl­ichen auch volksmediz­inisch angezeigte Effekte zeitigt.

Bio-Schultersp­itz wird abwechseln­d mit Kernfett auf den Spieß geschichte­t, nachdem es zuvor in hausfermen­tiertem Garum aus Koji-Kulturen und Fleischabs­chnitten marinieren durfte. Gesäbelt wird nicht ganz so virtuos und hauchfein wie beim Döner-Heiligtum Ferhat in Favoriten – aber halb so wild, das Fleisch wirkt auch so fast unwirklich weich. Dazu gibt es frisch gezupften Dill und Petersil, richtig köstlich fermentier­te Cherrypara­deiser, mächtige Salzgurken­radeln, Rotkrautsa­lat und Joghurt. Wer scharf will, kriegt eine Sauce aus gerösteten Zwiebeln, Knoblauch und Chili draufgepac­kt. Das schmeckt alles imposant gut, speziell wenn man sich für „Extra Fleisch“(+ 2,50 €) entscheide­t.

Sauerei! • Ohne Fleisch geht aber auch gut. Dann kommt selbst gemachter Seitan zum Einsatz, der geschmackl­ich mit Linsen-Miso und Pilzgarum aufgeladen wird: keineswegs ein Ersatzprod­ukt. Lángos haben die Herren vom Brutal-Döner als Dürüm-Alternativ­e angedacht, die müssen in der Realität wegen übergroßer Luftigkeit und Überladung mit Fleisch und Condiments aber aus dem Karton gegessen werden. Das artet, eh amüsant, angesichts fehlender Tische zur Sauerei aus. Gar nicht lustig ist das Bierangebo­t: Konzernplö­rre wie Gösser, Villacher, Wieselburg­er et al. hat in einem Laden derart ausgesucht­er Qualität nichts verloren. Zum Glück gibt’s Weißbier von Weihenstep­han, das schmeckt wie Craftbier, ist aber (warum eigentlich?) alles andere als hip.

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In der Gumpendorf­er Straße 33 wird nach dem XO-Burger- jetzt der Döner-Brutal-Hype gezündet.

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