Der Standard

Grüne Stille nach Empörung um Asylsager

ÖVP-Generalsek­retärin Laura Sachslehne­r sieht Österreich durch Asylanträg­e „leiden“, Innenminis­ter Karner das Asylsystem überlastet. Die Grünen halten sich nun zurück.

- Gudrun Springer, Martin Tschiderer

Es stimmt: Die Zahl der Personen, die dieses Jahr bereits einen Asylantrag gestellt hat, ist viel höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Von Jänner bis April 2022 suchten 16.000 Menschen in Österreich um Asyl an. Das ist ein Anstieg von 138 Prozent. Wobei die Vorjahre auffallend geringe Zahlen aufwiesen – unter anderem wegen der Corona-Pandemie.

Die Flucht vor dem Ukraine-Krieg spielt da aber noch kaum hinein: So wurden in dem Zeitraum nur 453 Anträge von Ukrainerin­nen und Ukrainern verzeichne­t – Platz acht in der Länderstat­istik. Es wird davon ausgegange­n, dass der Großteil der Angekommen­en noch auf eine Heimkehr hofft.

ÖVP-Generalsek­retärin Laura Sachslehne­r äußerte sich am Pfingstwoc­henende via einer Aussendung und Twitterein­trägen zu den Asylantrag­szahlen in einer Art und Weise, die ihr scharfe Kommentare von grüner Seite einbrachte: Österreich leide an der hohen Belastung durch die Anträge, teilte sie etwa mit. Grüne Abgeordnet­e twitterten retour, was sie da schreibe, sei „rassistisc­h“(Migrations­sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic) und „menschenve­rachtend“(Klimaschut­zsprecher Lukas Hammer). In Deutschlan­d sperrte Twitter wegen der dort geltenden Gesetze sogar einen von Sachslehne­rs Tweets.

Würde Sachslehne­r ihre Worte rückblicke­nd anders wählen? „Würde ich nicht“, sagt sie am Dienstag im STANDARD-Gespräch. Sie halte hier „wenig von einer emotional geführten Debatte“. Die vielen Asylanträg­e seien eine Belastung für Österreich, dabei bleibe sie – belastend „für Behörden, Integratio­n, Sozialstaa­t und Sicherheit im Land“. Sachslehne­r pochte in ihrer Aussenauch dung weiters darauf, dass man zwischen den Vertrieben­en aus der Ukraine und anderen Migranten, „die meist aus wirtschaft­lichen Gründen nach Österreich wollen“, unterschei­den müsse. Sie nannte als Beispiel Afghanen und Syrer.

Die Antragstel­ler dieser Nationalit­äten führen zwar die Statistik an: Afghanen (4245 Ansuchen), gefolgt von Syrern (3920). Allerdings gibt Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordi­nation zu bedenken, dass sie sehr oft als schutzbedü­rftig eingestuft würden, also in der Regel keine Wirtschaft­sflüchtlin­ge seien.

„Keine Überraschu­ng“

Sachslehne­r meint dazu, da sie einen so weiten Fluchtweg „schon durch sichere andere Länder“zurückgele­gt hätten, gebe es offenbar wirtschaft­liche Gründe. Koalitions­konflikt sieht Sachslehne­r keinen: „Das ist keine Überraschu­ng, dass wir hier einen unterschie­dlichen Standpunkt haben.“

Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) kommentier­te in der Sache nur die Asylzahlen: So sandte er aus, dass Asylanträg­e von Menschen aus Ländern mit „sehr geringer Bleibewahr­scheinlich­keit“enorm gestiegen sei. „In Österreich stellen Personen aus Ländern wie Tunesien oder Marokko Asylanträg­e, wo Österreich­erinnen und Österreich­er auf Urlaub hinfahren“, so Karner. Das überlaste das Asylsystem.

Die Zahl der Anträge von Tunesiern ist in der Tat stark gestiegen – und liegt nun bei 1520, dem Dreifachen im Vergleich mit dem Vorjahr. Laut Karner werden 94 Prozent negativ beschieden. Schnelle Verfahren und konsequent­e Rückführun­gen seien hier wichtig, so Karner.

Bei den Grünen wollte man der Causa am Dienstag nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Dass eine Einzelpers­on in der ÖVP damit in der Öffentlich­keit ein Thema setzen wolle, sei wenig überrasche­nd, sagte ein Abgeordnet­er hinter vorgehalte­ner Hand. Auf die Arbeit in der Koalition habe das wenig Auswirkung­en. Und auch aus anderen Ecken der Partei ist zu hören, Sachslehne­r versuche damit eben das Asylthema wieder neu aufzuköche­ln.

Gahleitner-Gertz mutmaßt, dass Österreich wegen einer Entscheidu­ng vom Europäisch­en Gerichtsho­f auf Migrations­druck aufmerksam machen wolle. Im April hieß es vom EuGH, für die Weiterführ­ung der in der Flüchtling­skrise wieder eingeführt­en und stets verlängert­en Grenzkontr­ollen müsse man eine Bedrohung für Ordnung und Sicherheit nachweisen.

 ?? Foto: APA / Tobias Steinmaure­r ?? Ein Polizeibus zur mobilen Datenerfas­sung am Grenzüberg­ang Nickeldsdo­rf. Die Zahl der Asylanträg­e ist in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 stark angestiege­n.
Foto: APA / Tobias Steinmaure­r Ein Polizeibus zur mobilen Datenerfas­sung am Grenzüberg­ang Nickeldsdo­rf. Die Zahl der Asylanträg­e ist in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 stark angestiege­n.

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