Der Standard

System Wirtschaft­sbund bereits 2009 kritisiert

Ein Whistleblo­wer wandte sich vor 13 Jahren an das Finanzamt Feldkirch

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Bregenz – Der Titel könnte von einem Artikel über die Causa Wirtschaft­sbund aus diesem Jahr stammen: „Vorarlberg ein Selbstbedi­enungsland?!“Tatsächlic­h handelt es sich um die Überschrif­t einer anonym eingelangt­en Informatio­n, die 13 Jahre früher an das Finanzamt Feldkirch erging und nun dem STANDARD vorliegt.

Was steht also in dem vierseitig­en Dokument aus dem Jahr 2009? Etwa, dass Druck auf Innungen ausgeübt werde, um im Wirtschaft­sbund-Magazin zu inserieren – wie es im Frühjahr diesen Jahres Tischler Michael Stadler öffentlich machte.

Dass die Inserate im Magazin teilweise zu 50 Prozent aus Landesgese­llschaften stammen würden – ein Anteil, der sich in den Jahren darauf verringert­e, bis zum Schluss blieb es aber bei Inseraten, die mit öffentlich­em Geld bezahlt wurden. In Zukunft soll das nicht mehr gehen.

Und es ist auch zu lesen, dass der Wirtschaft­sbund-Direktor – damals Walter Natter – an einer Firma beteiligt sei, die das gesamte Inserateng­eschäft für zahlreiche öffentlich­e Einrichtun­gen, etwa für Magazine der Wirtschaft­skammer, erledige. Die Frage nach Unvereinba­rkeit wird dabei in dem Dokument aufgeworfe­n. Denn Natter würde sich hohe Provisione­n auszahlen, seine Firma – Media Team – hätte die Aufträge zum Teil ohne Ausschreib­ung bekommen.

Die Doppelroll­e Wirtschaft­sbundChef und Media-Team-Inhaber übernahm Natters Nachfolger, Jürgen Kessler, von ihm. Anfang dieses Jahres gab er zunächst seine Firmenante­ile ab und musste wenige Wochen später dann auch den Direktoren­sessel beim Wirtschaft­sbund räumen. Allerdings war zwischenze­itlich, nämlich 2013, noch Russmedia in die Firma eingestieg­en. Auf die Frage nach dem Warum erhält man bei dem Medienkonz­ern die Antwort, dass es „zu strategisc­hen Überlegung­en über Beteiligun­gen grundsätzl­ich kein Statement“gebe.

Lukratives Geschäft

Jedenfalls konnte der Konzern so an dem lukrativen Geschäft zumindest mitnaschen. Denn MediaTeam-Kunden gab es viele. In dem 2009 verfassten Whistleblo­werBrief wird nicht nur die Wirtschaft­skammer, sondern auch die Gebietskra­nkenkasse, die Ärztekamme­r, die Landwirtsc­haftskamme­r, das Kirchenbla­tt, die Fachhochsc­hule Vorarlberg, der Wirtschaft­sverlag oder auch Vorarlberg Tourismus aufgezählt. 2013 stieg Russmedia ein und hielt dann knapp 40 Prozent an Media Team. Nachdem Kessler Ende vergangene­n Jahres seine Anteile an der Firma abgegeben hat, stiegen die Anteile von Russmedia auf knapp 75 Prozent.

Alles in allem handle es sich wohl um die „Bildung von marktbeher­rschenden Zusammensc­hlüssen“, heißt es in dem Brief. Doch: „Alle schimpfen aber nur hinter vorgehalte­ner Hand, weil sie Angst vor Retorsions­massnahmen (sic!) haben“.

Auch das klingt vertraut. Denn mit dem Publikwerd­en der Zustände in diesem Jahr beschriebe­n viele, dass das „System“schon lange quasi jeder kenne. Selbst Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) räumte ein, womöglich „zu lange zugeschaut“zu haben. 2009, als das System dem anonymen Hinweisgeb­er schon sauer aufstieß, war Wallner freilich noch nicht einmal im Amt.

Am Mittwoch wird Wallner in der Landtagssi­tzung wieder Gelegenhei­t haben, sich zu der Causa zu äußern. Eine Aktuelle Stunde zum Wirtschaft­sbund ist geplant. (lhag)

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