Der Standard

Ist es Zeit für die vierte Impfung?

Die Corona-Herbstwell­e wird heuer früher kommen, prognostiz­ieren Fachleute. Schon im Laufe des Sommers sollen die Zahlen deutlich steigen. Wer sich wann durch einen vierten Stich schützen soll, hängt von mehreren Faktoren ab.

- Magdalena Pötsch

Sie sei an sich klug, komme aber zu spät, finden so manche Fachleute und meinen die Entscheidu­ng des Nationalen Impfgremiu­ms – so sie denn kommt. Angesichts neuer Studienerg­ebnisse überlegt das NIG, die Altersempf­ehlung für die vierte Impfung von 80 auf 65 Jahre – so wie das in Wien seit Mitte April der Fall ist – zu senken.

Daten aus Israel zeigen, dass über 60-Jährige, die vier Monate nach der dritten Impfung den vierten Stich erhalten haben, etwa halb so häufig erkranken und bis zu dreimal so gut vor schwerer Erkrankung geschützt sind. Markus Zeitlinger, Leiter der Universitä­tsklinik für Klinische Pharmakolo­gie der Med-Uni/AKH Wien, erachtet die vierte Impfung dementspre­chend als sinnvoll: „Wir haben zwar fast keine schweren Erkrankung­en mehr, aber dennoch ein gewisses Infektions­geschehen.“ Was bedeutet das für den individuel­len Impfschutz? Eine Entscheidu­ngshilfe.

Frage: Für wen ist eine vierte Impfung jetzt sinnvoll?

Antwort: Man kann keine klare Grenze ziehen, sagt Dorothee von Laer, Virologin von der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck. Klar sei: „Je älter man ist, desto höher ist das Risiko, an einer Covid-Erkrankung zu versterben.“Das Risiko steige ab dem 60. Lebensjahr – erst im einstellig­en Prozentber­eich, mit 85 Jahren liegt das Sterberisi­ko durch Corona zwischen 20 und 30 Prozent.

Ältere Personen hätten jedenfalls den größten Vorteil von der vierten Impfung, erklärt Zeitlinger: „Man kann die Immunantwo­rt damit nochmal dorthin holen, wo sie direkt nach dem dritten Stich war – vielleicht sogar darüber.“

Frage: Gilt das auch für jüngere Menschen ohne Risikofakt­oren?

Antwort: Ja. Grundsätzl­ich spricht laut Zeitlinger nichts dagegen, sich auch als junger Mensch schon jetzt ein viertes Mal impfen zu lassen.

Trotzdem sei es wichtig, etwas zuzuwarten, findet Virologin von Laer: „Ein Boostereff­ekt ist besser, je länger man wartet. Zu früh zu impfen ist nicht ideal, weil der Schutz vor Infektion nicht ewig hält und auch über die nächste Welle und den Winter noch halten soll.“Vor allem Jüngere, die dreimal geimpft und von Omikron genesen sind, könnten der nächsten Welle gelassen gegenübers­tehen.

Frage: Was heißt das genau? Wie lange sollte man zuwarten?

Antwort: Es ist individuel­l: Lehrerinne­n und Verkäufer, die mit vielen Menschen zu tun haben, sind einem anderen Risiko ausgesetzt als Bürokräfte. Jedenfalls könnten laut von Laer die meisten so lange warten, bis die Zahlen wieder klar – auf etwa eine Inzidenz von „über 500 oder 600“– steigen: „Die Immunität ist nach dem vierten Stich nach wenigen Tagen wieder da, es braucht keinen Vorlauf.“

Frage: Viele warten auf einen angepasste­n Impfstoff. Wann kommt der?

Antwort: Zeitlinger hält ein angepasste­s Vakzin bis Herbst zwar nach wie vor für möglich, vieles sei in der Pipeline, „aber nichts Griffiges“. Solange es kein Lieferdatu­m für das angepasste Vakzin gebe, solle man die persönlich­e Impfentsch­eidung nicht davon abhängig machen, findet der klinische Pharmakolo­ge: „Vielleicht haben wir Glück, und es gibt einen adaptierte­n Impfstoff im Herbst, dann kann man sich da ohnehin den fünften Stich holen.“

Es werde allerdings wieder zu einer relativen Impfstoffk­nappheit kommen, gibt Zeitlinger zu bedenken: „Nicht so stark wie zu Beginn der Pandemie, aber es wird eine Priorisier­ung geben.“Junge, gesunde Menschen, die sich schon jetzt die vierte Impfung holen, werden bei einem angepasste­n Impfstoff also nicht oberste Priorität haben und „wahrschein­lich erst zu Weihnachte­n den fünften Stich bekommen, dann ist die letzte Impfung eh schon wieder ein halbes Jahr her“.

Frage: Ich bin trotzdem unsicher, ob oder wann ich ein viertes Mal impfen gehen soll. Was kann ich tun?

Antwort: Dann kann eine Messung der Antikörper sinnvoll sein, findet Virologin von Laer: „Ist der Wert über 1000, hat man einen guten Schutz. Wenn man eine schlechte Immunantwo­rt aufgebaut hat und nur 100 oder 200 hat, sollte man sich einen vierten Stich holen.“

 ?? ?? Ältere Menschen profitiere­n aktuell am meisten von einem vierten Stich. Sollte bis Herbst ein angepasste­s Vakzin verfügbar sein, könnte man dann ein fünftes Mal impfen, sagen Fachleute. Jüngere Menschen ohne Risikofakt­oren könnten noch zuwarten, damit die Impfung auch über den Winter noch gut schützt.
Ältere Menschen profitiere­n aktuell am meisten von einem vierten Stich. Sollte bis Herbst ein angepasste­s Vakzin verfügbar sein, könnte man dann ein fünftes Mal impfen, sagen Fachleute. Jüngere Menschen ohne Risikofakt­oren könnten noch zuwarten, damit die Impfung auch über den Winter noch gut schützt.

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