Der Standard

Österreich hinkt bei Inflations­hilfen hinterher

Die Koalition hat ihr Hilfspaket gegen die Teuerung als das größte in Europa präsentier­t. Ein Vergleich des Thinktanks Bruegel zeigt, dass viele Länder deutlich mehr Geld in die Hand genommen haben.

- András Szigetvari

„Es gibt kein Land in der Europäisch­en Union, das so ein großes Paket vorgelegt hat.“Finanzmini­ster Magnus Brunner im STANDARD am 6. 4. 2022

Kein Tag vergeht inzwischen in Österreich, an dem nicht irgendwelc­he Parteien, Interessen­vertreter oder Ökonominne­n und Ökonomen neue Maßnahmen von der Regierung zur Abfederung der Inflation verlangen. Ideen gibt es genug, von der Anpassung von Sozialleis­tungen an die Teuerung über die Abschaffun­g der kalten Progressio­n bis hin zur Senkung der Mineralöls­teuer.

Als sicher gilt inzwischen, dass die türkis-grüne Koalition dem Druck nachgeben und noch einmal ein Maßnahmenp­aket vorlegen wird. Aktuell laufen die Verhandlun­gen dazu, bereits in den kommenden Tagen könnte eine Einigung präsentier­t werden. Darauf deutet zumindest hin, dass sich einige Eckpunkte einer möglichen Vereinbaru­ng bereits abzeichnen. So könnte die CO₂-Bepreisung erst im Oktober 2022 und damit drei Monate später als ursprüngli­ch geplant und gleichzeit­ig mit dem Klimabonus starten. Dieser könnte für 2022 mit 250 Euro für jeden Erwachsene­n starten. Bisher war geplant, den Bonus regional zu staffeln zwischen 100 und 200 Euro. Weitere Hilfen dürften auch für sozial Schwache kommen, und auch die Industrie wird eine Kompensati­on erhalten.

Dass der politische Druck größer geworden ist, könnte auch damit zu tun haben, dass in Europa inzwischen viele Länder deutlich mehr Geld ausgeben, um die Folgen der Inflation abzufedern. Das zeigt eine aktuelle Untersuchu­ng des Brüsseler Thinktanks Bruegel.

Expertinne­n und Experten des Thinktanks haben sich dabei angesehen, wie viel die EU-Länder, Norwegen und das Vereinigte Königreich an Geldern ausgegeben oder bereits fix zugesagt haben, um die Teuerung abzufedern. Mit den Ausgaben von etwa vier Milliarden Euro oder einem Prozent der Wirtschaft­sleistung liegt Österreich im Mittelfeld. Staaten, die im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung deutlich mehr ausgegeben haben, sind unter anderem: Griechenla­nd, Litauen, Italien, Spanien, Rumänien, Frankreich, Deutschlan­d, Malta und Polen. In Bulgarien belaufen sich die Ausgaben auf die gleiche Höhe.

Interessan­t daran ist, dass die Regierung ihr bisheriges Paket mit dem Hinweis verteidigt­e, dass kein Land in der EU so viel tue wie Österreich. Finanzmini­ster Magnus Brunner sagte im STANDARD-Interview Anfang April: „Ich will eines klarstelle­n: Die von der Regierung beschlosse­nen Pakete zur Abfederung der Inflations­folgen haben ein Volumen von vier Milliarden Euro, das ist ein Prozent unseres Bruttoinla­ndsprodukt­s. Es gibt kein Land in der Europäisch­en Union, das ein so großes Paket vorgelegt hat.“

Die Analyse des Thinktanks Bruegel umfasst alle Maßnahmen, die zwischen September 2021 und Mai 2022 fixiert worden sind. In Österreich fallen zum Beispiel die Anhebung der Pendlerpau­schale um 50 Prozent und die Vervielfac­hung des Pendlereur­o darunter. Dazu kommen Zuschüsse an alle Haushalte wegen der hohen Energiekos­ten und nochmals ein Extra-Zuschuss für sozial Schwache sowie die diesjährig­e Befreiung der Haushalte von Ökostrom-Förderbeit­rägen. Für einen Spitzenpla­tz im europäisch­en Vergleich hat es trotz all dieser Maßnahmen nicht gereicht.

Geld ist nicht alles

Natürlich bedeutet der quantitati­ve Vergleich noch nicht, dass die Maßnahmen in anderen Ländern auch sinnvoller oder besser sein müssen. Hohe Staatsausg­aben gegen Inflation können selbst ein Problem werden, weil sie Haushalte mit Mitteln ausstatten, um weiter zu konsumiere­n. Hohe Nachfrage kann die Inflation weiter hoch halten. Außerdem war die Entwicklun­g der Inflation lange Zeit nicht vorhersehb­ar, sodass Zuwarten nicht unbedingt falsch sein muss.

Dazu kommt der Aspekt Klimaschut­z: In Deutschlan­d zum Beispiel sponsert der Staat in noch deutlich größerem Umfang Autofahrer, als er das in Österreich tut. Drei Monate lang, im Juni, Juli und August, bekommen alle Autofahrer in Deutschlan­d einen Tankrabatt.

Das ist eine umfassende­re Entlastung als in Österreich, wo die Steuern auf Benzin und Diesel nicht gesenkt werden, sondern nur Menschen, die das Auto für den Arbeitsweg brauchen, Hilfen erhalten. Aus der Perspektiv­e von Klimaschüt­zern ist der österreich­ische Weg sinnvoller. Aber an dem Faktum, dass Österreich­s Maßnahmen gegen die Teuerung nicht die umfangreic­hsten in der EU sind, gibt es auch wenig zu rütteln.

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