Österreich hinkt bei Inflationshilfen hinterher
Die Koalition hat ihr Hilfspaket gegen die Teuerung als das größte in Europa präsentiert. Ein Vergleich des Thinktanks Bruegel zeigt, dass viele Länder deutlich mehr Geld in die Hand genommen haben.
„Es gibt kein Land in der Europäischen Union, das so ein großes Paket vorgelegt hat.“Finanzminister Magnus Brunner im STANDARD am 6. 4. 2022
Kein Tag vergeht inzwischen in Österreich, an dem nicht irgendwelche Parteien, Interessenvertreter oder Ökonominnen und Ökonomen neue Maßnahmen von der Regierung zur Abfederung der Inflation verlangen. Ideen gibt es genug, von der Anpassung von Sozialleistungen an die Teuerung über die Abschaffung der kalten Progression bis hin zur Senkung der Mineralölsteuer.
Als sicher gilt inzwischen, dass die türkis-grüne Koalition dem Druck nachgeben und noch einmal ein Maßnahmenpaket vorlegen wird. Aktuell laufen die Verhandlungen dazu, bereits in den kommenden Tagen könnte eine Einigung präsentiert werden. Darauf deutet zumindest hin, dass sich einige Eckpunkte einer möglichen Vereinbarung bereits abzeichnen. So könnte die CO₂-Bepreisung erst im Oktober 2022 und damit drei Monate später als ursprünglich geplant und gleichzeitig mit dem Klimabonus starten. Dieser könnte für 2022 mit 250 Euro für jeden Erwachsenen starten. Bisher war geplant, den Bonus regional zu staffeln zwischen 100 und 200 Euro. Weitere Hilfen dürften auch für sozial Schwache kommen, und auch die Industrie wird eine Kompensation erhalten.
Dass der politische Druck größer geworden ist, könnte auch damit zu tun haben, dass in Europa inzwischen viele Länder deutlich mehr Geld ausgeben, um die Folgen der Inflation abzufedern. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Brüsseler Thinktanks Bruegel.
Expertinnen und Experten des Thinktanks haben sich dabei angesehen, wie viel die EU-Länder, Norwegen und das Vereinigte Königreich an Geldern ausgegeben oder bereits fix zugesagt haben, um die Teuerung abzufedern. Mit den Ausgaben von etwa vier Milliarden Euro oder einem Prozent der Wirtschaftsleistung liegt Österreich im Mittelfeld. Staaten, die im Vergleich zur Wirtschaftsleistung deutlich mehr ausgegeben haben, sind unter anderem: Griechenland, Litauen, Italien, Spanien, Rumänien, Frankreich, Deutschland, Malta und Polen. In Bulgarien belaufen sich die Ausgaben auf die gleiche Höhe.
Interessant daran ist, dass die Regierung ihr bisheriges Paket mit dem Hinweis verteidigte, dass kein Land in der EU so viel tue wie Österreich. Finanzminister Magnus Brunner sagte im STANDARD-Interview Anfang April: „Ich will eines klarstellen: Die von der Regierung beschlossenen Pakete zur Abfederung der Inflationsfolgen haben ein Volumen von vier Milliarden Euro, das ist ein Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Es gibt kein Land in der Europäischen Union, das ein so großes Paket vorgelegt hat.“
Die Analyse des Thinktanks Bruegel umfasst alle Maßnahmen, die zwischen September 2021 und Mai 2022 fixiert worden sind. In Österreich fallen zum Beispiel die Anhebung der Pendlerpauschale um 50 Prozent und die Vervielfachung des Pendlereuro darunter. Dazu kommen Zuschüsse an alle Haushalte wegen der hohen Energiekosten und nochmals ein Extra-Zuschuss für sozial Schwache sowie die diesjährige Befreiung der Haushalte von Ökostrom-Förderbeiträgen. Für einen Spitzenplatz im europäischen Vergleich hat es trotz all dieser Maßnahmen nicht gereicht.
Geld ist nicht alles
Natürlich bedeutet der quantitative Vergleich noch nicht, dass die Maßnahmen in anderen Ländern auch sinnvoller oder besser sein müssen. Hohe Staatsausgaben gegen Inflation können selbst ein Problem werden, weil sie Haushalte mit Mitteln ausstatten, um weiter zu konsumieren. Hohe Nachfrage kann die Inflation weiter hoch halten. Außerdem war die Entwicklung der Inflation lange Zeit nicht vorhersehbar, sodass Zuwarten nicht unbedingt falsch sein muss.
Dazu kommt der Aspekt Klimaschutz: In Deutschland zum Beispiel sponsert der Staat in noch deutlich größerem Umfang Autofahrer, als er das in Österreich tut. Drei Monate lang, im Juni, Juli und August, bekommen alle Autofahrer in Deutschland einen Tankrabatt.
Das ist eine umfassendere Entlastung als in Österreich, wo die Steuern auf Benzin und Diesel nicht gesenkt werden, sondern nur Menschen, die das Auto für den Arbeitsweg brauchen, Hilfen erhalten. Aus der Perspektive von Klimaschützern ist der österreichische Weg sinnvoller. Aber an dem Faktum, dass Österreichs Maßnahmen gegen die Teuerung nicht die umfangreichsten in der EU sind, gibt es auch wenig zu rütteln.