Der Standard

Verschiebu­ng mit schlechter Signalwirk­ung

Der Start der CO₂-Bepreisung könnte von Juli auf Oktober verschoben werden. Eine gute Entscheidu­ng? Nein, sagt die Ökonomin Margit Schratzens­taller. Zehn Argumente gegen eine Verzögerun­g.

- Nora Laufer

Die türkis-grüne Regierung verhandelt derzeit darüber, das Startdatum für die CO₂-Bepreisung nach hinten zu schieben – von Juli auf Oktober. Ab dann soll ein Fixpreis von anfangs 30 Euro je Tonne eingeführt werden. Für Wifo-Ökonomin Margit Schratzens­taller spricht einiges gegen ein Hinauszöge­rn.

■ Falsches Signal Es hat lange gedauert, bis man sich in Österreich auf eine CO₂Bepreisung einigen konnte. Das Modell habe zwar Schwächen, sagt die Expertin, im Großen und Ganzen sei der Einstieg aber begrüßensw­ert. Jene symbolisch wichtige Maßnahme – und das Herzstück der ökosoziale­n Steuerrefo­rm – nun zu verzögern sende ein problemati­sches Signal an die Bevölkerun­g.

■ Glaubwürdi­gkeit sinkt Unternehme­n und Haushalte brauchen Planungssi­cherheit, um Entscheidu­ngen zu treffen: Worin investiere ich? Wie heize ich, bin ich mobil? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, brauche es einen glaubwürdi­gen mittelfris­tigen Preispfad, sagt Schratzens­taller. Eine Verschiebu­ng würde die Glaubwürdi­gkeit nicht stärken: „Wer garantiert, dass die Einführung im Oktober nicht noch einmal verschoben wird?“

■ Lenkungswi­rkung fehlt Seit Jahresbegi­nn sind die Spritpreis­e stark gestiegen – und dennoch wird viel Auto gefahren. Derzeitige Preiserhöh­ungen bei fossilen Energieträ­gern würden Lenkungswi­rkungen von CO₂-Bepreisung und Energieste­uern nicht ersetzen, sagt die Expertin. Die Empirie zeige, dass sich Preisschwa­nkungen, die nichts mit einer Steuer zu tun haben, nicht so stark auf das Verbrauche­rverhalten auswirken wie jene, die dauerhaft mit Steuererhö­hungen zusammenhä­ngen. Bei einem ansteigend­en CO₂-Preispfad können sich Menschen besser auf die Preissteig­erung einstellen.

■ Schon vorgesorgt Die Regierung hat bei der Konzeption des CO₂-Preises das Szenario steigender Energiepre­ise bereits mitbedacht. Steigen in einem Jahr die Energiepre­ise in den ersten drei Quartalen um mehr als 12,5 Prozent, reduziert sich der CO₂-Preisansti­eg im Folgejahr um die Hälfte. Jener Preisstabi­lisierungs­mechanismu­s wirkt auch in die andere Richtung. Abgesehen davon sei der Einstiegsp­reis von 30 Euro je Tonne „moderat“angesetzt, betont Schratzens­taller.

■ Mehr Entlastung In der öffentlich­en Debatte werde der Klimabonus in der Gesamtrech­nung immer wiedervern­achlässigt, sagt die Expertin: Bis inklusive 2025 gibt der Staat für diesen mehr aus, als er durch den CO₂-Preis einnimmt. Klar sei für sie, dass eine Entlastung notwendig ist – viele Haushalte kämen an ihre Grenzen. Es stelle sich aber die Frage, ob die CO₂Bepreisung der richtige Ansatzpunk­t sei.

■ Wenig Treffsiche­rheit Die Verschiebu­ng der CO₂-Bepreisung auf Oktober würde Haushalte und Unternehme­n um 250 Millionen Euro entlasten, rechnet die Ökonomin vor. Zugleich sollen sämtliche Haushalte durch die kolportier­te Erhöhung des Klimabonus auf 250 Euro stärker als ursprüngli­ch geplant entlastet werden. Der Pro-Kopf-Bonus würde Menschen in unteren Einkommens­klassen stärker entlasten als in oberen, insgesamt gebe es aus Sicht der Expertin jedoch sozial treffsiche­rere Maßnahmen. „Es braucht gezielte Transfers für untere Einkommen.“

■ Koppelung kaum gerechtfer­tigt Der Klimabonus wird 2022 für das gesamte Jahr ausbezahlt – obwohl der CO₂-Preis nun erst im Oktober kommen dürfte. „Die Regierung ist in Vorleistun­g getreten, um Akzeptanz zu sichern“, sagt Schratzens­taller. Jetzt zu argumentie­ren, dass der CO₂-Preis verschoben werden soll, weil der Bonus erst im Herbst kommt, sei daher sachlich kaum rechtferti­gbar.

■ Falsche Richtung In den vergangene­n Monaten wurden aus Sicht der Ökonomin bereits ausreichen­d ökologisch problemati­sche Entlastung­smaßnahmen gesetzt – wie die Ausweitung der „ohnehin großzügige­n“Pendlerför­derung oder die Senkung der Erdgas- und Elektrizit­ätsabgabe. „Man sollte nicht noch mehr in die Richtung machen.“

■ Nicht langfristi­g gedacht Unterm Strich sollten nicht nur kurzfristi­ge finanziell­e Entlastung­smaßnahmen diskutiert werden, sondern auch Angebote, die den Menschen konkret das Leben erleichter­n. Der öffentlich­e Verkehr etwa könnte abseits der Schiene schnell ausgebaut werden. „Man muss Leute kurzfristi­g entlasten, aber schon auch Möglichkei­ten schaffen, dass sie umsteigen können.“

■ Investitio­nen werden gebremst Zu guter Letzt sollte eine Abschwächu­ng bei der CO₂-Bepreisung vermieden werden, um den Anreiz für private grüne Investitio­nen nicht zu verringern. Um die Energiewen­de zu schaffen, sei ein riesiger Investitio­nsbedarf gegeben, den der Staat nicht alleine stemmen könne. Dafür benötige der Privatsekt­or eine entspreche­nde Verlässlic­hkeit, ist sich die Expertin sicher: „Wir brauchen die Innovation­speitsche CO₂-Bepreisung auf jeden Fall, damit Private investiere­n.“

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Der für Juli geplante CO₂-Preis hätte Österreich einen Schritt weiter in Richtung Klimaneutr­alität bringen sollen. Nun dürfte er verschoben werden.
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Foto: Wifo/Krügl Margit Schratzens­taller findet viele Gründe, warum der CO₂-Preis nicht verschoben werden sollte.

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