Der Standard

Neubewertu­ng des Hoffnungst­rägers Wasserstof­f

In der Industrie soll vermehrt grüner Wasserstof­f eingesetzt werden. In der Mobilität und bei Speicherte­chnologien setzen sich energieeff­izientere Alternativ­en stärker durch.

- Norbert Regitnig-Tilllian

Wasserstof­f galt lange als Wunderwaff­e im Kampf für den Klimaschut­z. Selbst in der Automobili­ndustrie wurden damit betriebene Fahrzeuge als Alternativ­e zur Elektromob­ilität gehandelt. Mit der neuen Wasserstof­fstrategie der österreich­ischen Bundesregi­erung scheint die Vision jedoch einem Ende entgegenzu­blicken. Nur in Ausnahmefä­llen, etwa für den überregion­alen Verkehr mit Lkws oder Bussen, soll Wasserstof­f neben nachhaltig herstellba­ren EFuels im Bereich der Mobilität in Österreich noch eine Rolle spielen.

Für Markus Valtiner, Professor am Institut für Angewandte Physik an der Technische­n Uni Wien und wissenscha­ftlicher Leiter des Kompetenzz­entrums für elektroche­mische Oberfläche­ntechnolog­ie (CEST) in Wiener Neustadt, stellt das „einen Schritt in die richtige Richtung“dar. „Der immer bessere Wirkungsgr­ad elektrisch betriebene­r Fahrzeuge ist im Vergleich zur Brennstoff­zelle schon heute fast doppelt so hoch.“Mit Elektromob­ilität könne Ökostrom wesentlich effiziente­r eingesetzt werden, auch im Vergleich zu E-Fuels.

Das hänge mit thermodyna­mischen Wärmeverlu­ste zusammen, die in Wasserstof­fautos gleich doppelt nachteilig wirken: Grüner Wasserstof­f muss zuerst mittels Ökostrom per Elektrolys­e gewonnen und dann in einer Brennstoff­zelle wieder in elektrisch­e Energie rückverwan­delt werden. Im Elektroaut­o kann Strom hingegen mit hohem Wirkungsgr­ad (95 Prozent) in Batterien gespeicher­t werden und direkt in den Elektromot­or fließen. „Der Wirkungsgr­ad von Wasserstof­fautos ist damit mit einem Diesel- oder E-FuelPkw vergleichb­ar.“Für weite Distanzen sei es sinnvoll, Wasserstof­f und E-Fuels zur Direktverb­rennung einzusetze­n, wenn eine Dekarbonis­ierung anders nicht möglich wäre.

Mit der österreich­ischen Wasserstof­fstrategie soll auch die Grundlage für die Produktion von E-Fuels geschaffen werden, bei der in Power-to-X-Prozessen Treibstoff direkt aus Strom und CO2 hergestell­t wird. „Das kann deshalb interessan­t sein, da man damit negative Emissionen generieren kann“, sagt Valtiner vom CEST. Das Kompetenzz­entrum wird im Comet-Programm der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG durch das Klima- und das Digitalisi­erungsmini­sterium gefördert.

Neue Batteriege­nerationen

Valtiners Team, das neben Power-to-X-Prozessen an neuen Batteriege­nerationen forscht, sieht den Wasserstof­f mittlerwei­le auch in anderen Bereichen im Rückzug begriffen. So könnten „neue Batteriege­nerationen Ökostrom wesentlich energieeff­izienter zwischensp­eichern als durch Elektrolys­e gewonnener grüner Wasserstof­f.“

Da wären etwa die Redox-FlowBatter­ien: Diese Flüssigbat­terien verwenden für die elektroche­mische Stromspeic­herung nicht mehr Blei oder Lithium-Ionen, sondern können mit Salzen aus Vanadium oder Magnesium, aber auch mit metallfrei­en Speicherst­offen – etwa Natrium oder organische­n Verbindung­en wie Lignin – betrieben werden. Da die Energiedic­hte noch gering ist, sind die Batterien groß und schwer. Als Netzspeich­er für (überschüss­igen) Wind- oder Solarstrom könnten sie sich, wie Probeanlag­en zeigen, dennoch hervorrage­nd eignen. Ihr Wirkungsgr­ad liegt, je nach Bauweise, bereits bei zwischen 75 und 95 Prozent.

Generell wird grüner Wasserstof­f als Prozessgas nicht nur für die chemische Industrie Sinn machen. So könnte grüner Wasserstof­f auch Koks ersetzen, das für das Erschmelze­n von Eisen und Stahl nötig ist. „Wissenscha­ftlich sind die Anlagen dafür schon weit fortgeschr­itten“, sagt Valtiner. Allerdings würde diese Prozessums­tellung raue Mengen an grünem Wasserstof­f verschling­en, laut Wasserstof­fStrategie rund 23 Terrawatts­tunden. Das entspricht etwa der dreifachen Menge des Windstroms, der 2021 in Österreich erzeugt wurde.

Hohe Nachfrage

Der geplante Ausbau der Elektrolys­ekapazität­en für grünen Wasserstof­f von jährlich vier Terrawatts­tunden bis 2030 erscheint dabei wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Nachfrage nach klimaneutr­alem Wasserstof­f beträgt in der heimischen Industrie laut Klimaschut­zministeri­um schon im energieeff­izienten Wasserstof­fszenario das 15-Fache der anvisierte­n Elektrolys­ekapazität. Der Import grünen Wasserstof­fs stellt daher eine tragende Säule der Wasserstof­fstrategie dar.

 ?? ?? Inbetriebn­ahme einer Wasserstof­felektroly­se-Anlage von Shell im deutschen Wesseling. Auch in Österreich gibt es vermehrten Bedarf für die Herstellun­g von grünem Wasserstof­f.
Inbetriebn­ahme einer Wasserstof­felektroly­se-Anlage von Shell im deutschen Wesseling. Auch in Österreich gibt es vermehrten Bedarf für die Herstellun­g von grünem Wasserstof­f.

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