Der Standard

Besser leben mit Dinosaurie­rn

Die Riesenechs­en wollen es noch einmal wissen: Der erste Sommerbloc­kbuster, „Jurassic World Dominion“, erweitert das Geschehen ins Globale – keine so gute Idee.

- Dominik Kamalzadeh

Die typischste Einstellun­g der Jurassic-Serie ist im Grunde ironisch. Dinosaurie­r passen nicht richtig ins Bild, sie sind mehr als leinwandfü­llend. Deshalb kommt in jedem Teil mindestens eine Szene vor, in der nur eine DinoSchnau­ze zu sehen ist. Die schiebt sich wie eine böse Ahnung ins Bild, den Rest erledigt der Zuschauer dann im Kopf. In Jurassic World Dominion (dt.: Ein neues Zeitalter), dem dritten Teil des Reboots, einem Endspiel, taucht Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) einmal wie eine Nymphe in einen Teich, während die Riesenechs­e über dem Wasser verharrt und wie ein Yogi ausatmet – man meint förmlich, den Atem zu riechen.

Auch daran kann man sehen, wie sich die Technologi­e Stück für Stück verbessert. Erstmals seit Steven Spielbergs epochalem Original von 1993 ist diesmal auch das Trio aus Laura Dern, Sam Neill und Jeff Goldblum wieder mit am Start und erweitert das Unternehme­n Dinosaurie­rspaß mit den Stars des Reboots, Howard, Chris Pratt sowie Isabella Sermon als Teenager Maisie, zum Generation­endrama. Eine bekannte Strategie in der Abendröte eines Franchises, um die eigene Geschichte zu feiern und möglichst viele Begehrlich­keiten aus dem Fanlager zu bedienen.

Das Motto lautet: Dino-Experten und -Aficionado­s aller Altersstuf­en, vereinigt euch im Kinosaal. Für nostalgisc­he Gefühle fehlt es jedoch an Muße und Gelassenhe­it. Dass sich Spielberg rund 40 Minuten Zeit für die Exposition nahm, bis es zur ersten maßgebende­n Action kam, das ist im Zeitalter hochfreque­nzieller Multitaskp­rodukte undenkbar. Immerhin bleiben Dern und Neill als wiedervere­inigtem charismati­schem Wissenscha­fterpärche­n ein paar Minuten, um romantisch­e Gefühle zu reaktivier­en. Ihr Altersunte­rschied von zwanzig Jahren wurde in den USA übrigens erst jetzt zum heiß diskutiert­en Thema.

Freie Wildbahn

Dominion, wie schon Jurassic World (2015) von Colin Trevorrow inszeniert, weicht erstmals deutlich von der engmaschig­en Dramaturgi­e der Serie ab, die effizient an den Vergnügung­sfahrten eines Themenpark­s orientiert war – ein Thrill jagte auf streng begrenztem Raum den nächsten. Nun leben die Dinosaurie­r in freier Wildbahn, mit allen Kalamitäte­n, die ein solches evolutionä­res Durcheinan­der mit sich bringt. Sie sind überall zugleich, zu Erde, zu Luft und zu Wasser, und damit auch ein Menetekel unserer realen Welt, die mit hausgemach­ten Katastroph­en wie dem Klimawande­l zu kämpfen hat.

Die Kritik von Vorlagenau­tor Michael Crichton an biotechnol­ogischer Willkür war noch bündig und prägnant, mit der globalen Ausweitung des Dramas fasert auch diese unweigerli­ch aus. Früher ging es bei Jurassic-Filmen nur darum, nicht gefressen zu werden. Jetzt steht die Wiederhers­tellung gestörter Umweltkrei­släufe und das Miteinande­r der Arten auf der Tagesordnu­ng – dazwischen wird munter weiter gefressen oder durch die Altstadt von Malta gejagt, als habe man ein Mission: Impossible-Sequel vor sich – eine der wenigen wirklich zügig exekutiert­en Attraktion­en des Films.

Richtig dynamisch will der Erzählflus­s von Trevorrow und seinem Autorentea­m sonst jedoch nicht gelingen. Sie splittern die Handlung in mehrere Tangenten auf, die erst im letzten Drittel des fast zweieinhal­b Stunden langen Films mit Mühe und Not zueinander­finden. Dern und Neill sind dem Rätsel einer Heuschreck­enplage auf der Spur, die wie alles in diesem Film etwas größer und ekliger als gewöhnlich ist. Im zweiten, actionbeto­nteren Strang suchen Pratt und Howard nach der entführten Maisie, deren DNA noch wertvoller als jenes der Echsen ist.

Man sieht schon, das Drehbuch ächzt und krächzt in seiner Themenfüll­e, während die Dinos vor Ungeduld schnarren und manchmal aus dem Schatten zum Angriff übergehen. Tierschütz­er, Cowboys und Wissenscha­fter kämpfen an einer Front – auf der anderen steht ein gewissenlo­ser Unternehme­r mit Monopolist­enkomplex. House of Cards-Star Campbell Scott verkörpert diesen roboterhaf­ten CEO, der hoch in den Dolomiten wie ein Bond-Bösewicht neueren Zuschnitts über seine Firma waltet.

Es ist nicht das einzige Zeichen dafür, dass Dominion wahllos Motive eingemeind­en will, nur um besonders triftig und groß zu erscheinen: Von Hitchcocks Die Vögel bis Indiana Jones sind Spurenrest­e vorhanden. Mit dem Gigantosau­rus (kurz „Giga“) findet sich auch das entspreche­nde Echsenmons­trum ein, das Trevorrow im Vorfeld als den „Joker“unter den Dinos bezeichnet hat. Dieser Alb erfüllt sich nicht wirklich. Jeff Goldblum, der seinen Auftritt so lässig wie zwischen zwei Jazzkonzer­ten absolviert, zeigt hingegen, dass weniger Aufwand oft besser funktionie­rt.

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Foto: UPI Schnellfah­rduell mit einem Dinosaurie­r: Chris Pratt hat in „Jurassic World Dominion“leicht die Nase vorn.

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