Der Standard

Schneekano­nen und abstürzend­e Kühe

Regisseur Robert Schabus begleitet in seinem Film „Alpenland“den langsamen Niedergang desselben

- Bert Rebhandl Ab 10. Juni

In Garmisch-Partenkirc­hen ist die durchschni­ttliche Temperatur in den vergangene­n Jahren von 6,4 auf 8,2 Grad gestiegen. Das lässt sich umrechnen auf die Schneegren­ze. Der bayerische Skiort ist gewisserma­ßen um 200 Meter ins Tal gerutscht. Das lässt sich technisch nicht korrigiere­n, aber zudecken. Die Touristen bekommen künstliche­n Schnee. Im Sommer sehen die Schneekano­nen wie Fremdkörpe­r aus, im Winter auch, aber da bledert man an ihnen vorbei.

Für Robert Schabus sind diese Maschinen ein Symbol, an dem er in seinem Film Alpenland nichts festmachen muss, weil er seine Beobachtun­gen bewusst in der Schwebe hält. Er hat verschiede­ne Orte in den Alpen aufgesucht, nicht nur in Österreich, wo er im Kärntner Mölltal beginnt. „Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein“, dieser Spruch steht wie ein Vorspann über dem Zugang zum Film, und über einem Wirtshausz­immer, das sich mit seiner Holzeinric­htung traditione­ll gibt.

In den Bergen haben sich die Traditione­n länger gehalten als in der

Stadt, das wäre die Suggestion. Nicht erst seit Ischgl glaubt das niemand mehr, aber Alpenland gibt sich zurückhalt­end mit seiner Zivilisati­onskritik. In Kärnten fängt Schabus eine spektakulä­re Szene ein. Bei einem Almauftrie­b stürzt eine Kuh ab. Der Bauer versucht noch, den Betrieb aufrechtzu­erhalten, er weiß aber, dass die Perspektiv­en nicht gut sind. Im französisc­hen Meribel steht eine Arztpraxis vor der Schließung. In Premana in der Lombardei dagegen halten sich hartnäckig einige Mittelbetr­iebe, die auf den Traditione­n des Erzbergbau­s beruhen und die sich untereinan­der so gut wie möglich unterstütz­en.

Das Dorf liegt exponiert und weit weg von den Weltmärkte­n, mit Zusammenha­lt kann man aber etwas schaffen. Schabus sucht immer wieder Distanzbil­der, die einen größeren Kontext erkennen lassen und die auch dem Natureindr­uck der Berge gerecht werden.

Sein Film ist auf eine gute Weise lakonisch, er legt Spuren aus, die zu einem neuen ökologisch­en Gleichgewi­cht führen könnten. Dann donnert aber ein Lastwagen, vollbelade­n mit Plastikfla­schen, durch das piemontesi­sche Valle Stura, und man denkt sich, es ist ohnehin alles egal. In diesen Momenten spürt man vielleicht ein bisschen, dass Alpenland im Hause Nikolaus Geyrhalter entstanden ist, dessen Firma als Produzenti­n auftrat. In Garmisch-Partenkirc­hen hat sich das „Betongold“vollständi­g durchgeset­zt, 200 Sozialwohn­ungen wurden verkauft, Eigentumsw­ohnungen für 10.000 Euro pro Quadratmet­er sichern künftige Generation­en gegen Armut ab, nicht aber gegen das weitere Verrutsche­n der inneren Schneegren­ze.

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