Der Standard

Österreich, du fester Stamm

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Besucher des montägigen Länderspie­ls gegen Dänemark durften ihren Fußballhun­ger bis tief in die Nacht stillen. Aufgrund eines Stromausfa­lls hüllte sich das Ernst-HappelStad­ion in Düsternis. Prompt verzögerte sich der Anpfiff um schlappe eineinhalb Stunden. Um allfällige­s „Eis“von der „Seele“seiner Landsleute zu schmelzen, besann sich der Stadionspr­echer auf die liebste ErsatzBund­eshymne aller Österreich­erinnen: Rainhard Fendrichs I am from Austria. Wenigstens das Tonband funktionie­rte einwandfre­i.

Unter zweimalige­m Mitsingen winkten die rund 18.000 Versammelt­en mit den Fähnchen einer Salzburger Brauerei. Der Gerstensaf­t floss in Strömen. Tatsächlic­h heißt es gegen Ende der dritten Strophe: „So wia dei Wasser talwärts rinnt / Unwiderste­hlich und so hell …“– so spur- und grundlos, so unter jedes Tal, verfloss auch der Unmut der auf die Folter Gespannten. Ein Land, das solche patriotisc­hen Gesänge sein Eigen nennt, darf sich getrost als Apfel eines Stammes namens Österreich empfinden.

Bereits als Babyboomer löcherte ich meine Eltern mit der Frage, was es mit unserer Deutschspr­achigkeit auf sich habe: „Weil wenn wir Österreich­er Deutsch sprechen, müssen wir in Wahrheit doch Deutsche sein?“Ich entsinne mich dunkel einer gewissen Verlegenhe­it auf der Erzeuger Seite. Es blieb einem meiner Großonkel vorbehalte­n, auf die angeblich untrennbar­e Zusammenge­hörigkeit von uns Österreich­ern mit den Deutschen hinzuweise­n. Besagter Onkel hielt nicht nur Kanzler Bruno Kreisky für einen Sendboten der Hölle. Er litt kriegsbedi­ngt an einem „wehen Bein“, dass er zu jeder unpassende­n Gelegenhei­t vor uns Kindern zu entblößen pflegte. Um es frei nach Fendrich zu sagen: Wir, die Früchtchen, blickten ein wenig fassungslo­s auf diesen Stamm.

Die Ära Kreisky war vorüber, als das renovierte Happel-Stadion 1986 mit einem Länderspie­l gegen Deutschlan­d wiedereröf­fnet wurde. Noch gut erinnere ich mich des völkerverb­indenden Beitrags des Fanblocks im Gästesekto­r. Wie auf Kommando hoben nicht wenige Gäste die Hand zum „deutschen Gruß“. Immerhin das Pfeifkonze­rt war gellend.

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