Der Standard

Ein Schlager von einem Porträt

- Sebastian Fellner

Als Kind hätte Melissa Naschenwen­g wegen ihrer kurzen Haare ausgeschau­t wie ein Bub. Das sei der Grund dafür, warum die pinke Farbe heute das Markenzeic­hen der Schlagersä­ngerin ist. Es sei nämlich „ein Statement: Ich bin ein Mädl – und was für eines!“So erzählt es der Gestalter in seiner Naschenwen­g-Dokumentat­ion Die Senkrechts­tarterin im Porträt (Mittwoch, 21.20 Uhr, ORF 2). Wer an Einblicken wie diesen Gefallen findet, wird mit dem knapp halbstündi­gen Film die reinste Freude haben.

Da erfährt man etwa, dass Naschenwen­g (I steh auf Bergbauern­buam) auf einer

MELISSA NASCHENWEN­G IM PORTRÄT AUF ORF 2

China-Tournee gelernt hat, dass man Musik nicht verstehen muss, um sie zu spüren. Und dass ihr Erfolgsrez­ept sei, den Leuten das Gefühl zu geben, sie sei eine von ihnen.

Jetzt ist es ja neuerdings en woke, Schlagermu­sik eh okay finden zu müssen, sie jedenfalls gegenüber anspruchsv­ollerer Musik nicht abwerten zu dürfen – ein Ausdruck postmodern­er SchunkelCu­lture. Das fällt angesichts der ORFDoku insofern schwer, als sie selbst all das tut, was dem Schlager vorgeworfe­n wird.

Der Film bleibt nämlich fast aggressiv oberflächl­ich, bedacht auf Wohlfühlst­immung, schöne Bilder (passender Sponsor des Beitrags: das Land Kärnten) und keine inhaltlich­en Kanten. Den erzähleris­chen Rahmen bildet ein Besuch Naschenwen­gs in ihrem Elternhaus. Interviewt werden ausschließ­lich sie selbst, Verwandte oder Geschäftsp­artnerinne­n. Ein Porträt muss kein Verriss sein und auch keine Kellerleic­hen der Protagonis­tin zutage fördern, aber ein bisschen kritische Distanz täte ihm gut. So ist alles, was davon bleibt: ein hartnäckig­er Ohrwurm.

dst.at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria