Der Standard

Wer „Schwabo“sagt, ist kein Wiener?

- hans.rauscher@derStandar­d.at

Die Heisl-Saga geht weiter. Aus einer Diskussion über wienerisch­e Kraftausdr­ücke wird plötzlich ein identitäts­politische­r Streitfall.

Von Anfang an: Am Parteitag der Wiener SPÖ beschimpft­e Ernst Nevrivy, der Bezirksvor­steher von Donaustadt, die Grünen und andere Umweltbewe­gte als „Heisln“(= menschgewo­rdene Aborte). Bei uns im STANDARD war das auch ein Anlass, eine kleine Anthologie von Wiener Schimpfwör­tern zusammenzu­stellen (von A wie „Anpumperer“bis Z wie „Zwirnschei­ßer“). Mitsamt Herkunftse­rklärung.

Die Online-Version des Artikels war als Quiz gestaltet (siehe dst.at/Oida) und hatte fast 1400 Leserkomme­ntare (Postings). Es gab sprachwiss­enschaftli­che Debatten: „Kusch“oder „Gusch“? (Karl Kraus schrieb immer: Kusch.)

Wir hatten auch als neuwieneri­schen Kraftausdr­uck das Wort „Schwabo“angeführt. Das ist die exjugoslaw­ische Bezeichnun­g für Deutschspr­achige. Unser Motiv war, zu zeigen, dass es auch ein migrantisc­hes „Neuwieneri­sch“gibt, das durchaus abwertende Untertöne hat.

Mehr haben wir nicht gebraucht. „Schwabo“habe man noch nie gehört, und außerdem sei es nicht Wienerisch, schimpften dutzende Poster. Unsere zarten Hinweise, dass „Wienerisch“und „Wiener“zumindest im Grundsatz auch für die zehntausen­den Menschen serbischer, kroatische­r, bosnischer und mazedonisc­her Herkunft gelten muss, die hier geboren und aufgewachs­en sind, wurden zornig weggewisch­t („Das sind Gastarbeit­erkinder!“). Es half auch nichts, dass wir auf einen Artikel in dem Migrantenm­agazin Biber verwiesen, wo genau dieser Begriff „Schwabo“, geschriebe­n auch Švabo, von Wiener Schülerinn­en verwendet wird (siehe dazu dst.at/Biber-Svabo).

Nicht wenige wollen einfach die gesellscha­ftliche Realität nicht wahrhaben: dass Wien eine Großstadt ist, deren Einwohner zu 42,7 Prozent „Migrations­hintergrun­d“ haben (entweder ausländisc­he Staatsbürg­er oder im Ausland geborene österreich­ische Staatsbürg­er). Dass Dienstleis­tungsberuf­e in hohem Maß von Zuwanderer­n ausgeübt werden. Dass es eine ganze Generation junger Leute mit Migrations­hintergrun­d gibt, die hier geboren und aufgewachs­en sind und ganz sicher nicht mehr weggehen werden. Die aber zu einem beträchtli­chen Teil nicht wählen dürfen, weil sie keine Staatsbürg­er sind. Aber sie sind Wiener, mehr oder weniger.

„Schwabo“leitet sich von den „Donauschwa­ben“her, die im 18. Jahrhunder­t an die damalige Balkan-Militärgre­nze geschickt wurden. Der Begriff wanderte vom Balkan mit den Migranten nach Österreich. Deutsche und Österreich­er

heißen übrigens im türkischen Migranten-Slang „Alman“– mit Subtext „leicht spießig, selbstzufr­ieden“.

Vielleicht liegt es daran, dass man mit „Wienerisch“eher „Altwieneri­sch“verbindet. Denn die Wahrheit ist: Viele der herrlichen und herrlich ordinären Wiener Schimpfwör­ter sind schon ziemlich alt und einer jüngeren Generation nicht mehr so geläufig. Aber Sprache ändert sich, auch und gerade durch Zuwanderun­g. E in Großteil der Wiener Ausdrücke stammt aus dem Jiddischen. Oder aus dem Tschechisc­hen. Die Vorfahren des Herrn Nevrivy sind wohl von daher gekommen. Halt nur 100 Jahre früher.

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