Der Standard

Vereinfach­en und besser informiere­n

Die finanziell­en Hürden bei der Staatsbürg­erschaft gehören gesenkt, die Doppelstaa­tsbürgersc­haft endlich ermöglicht

- Max Haller MAX HALLER ist emeritiert­er Professor für Soziologie der Uni Graz und stellvertr­etender Leiter der Kommission für Migration und Integratio­n der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften.

Mit der Wortmeldun­g von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen wurde ein wichtiges Thema (wieder) auf die Tagesordnu­ng gesetzt: die Einbürgeru­ng von hier ansässigen Ausländeri­nnen und Ausländern. Während der Bundespräs­ident Erleichter­ungen als notwendig betrachtet, stellten sich Bundeskanz­ler Karl Nehammer und die ÖVP strikt dagegen. Die Kommission für Migration und Integratio­n (KMI) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften hat in den vergangene­n Jahren eine Reihe fundierter Studien zu diesem Thema durchgefüh­rt. Die letzte darunter war eine vom Autor dieses Beitrags geleitete Umfrage unter 500 schon länger in Wien ansässigen Ausländeri­nnen und Ausländern über ihre Wünsche und Vorstellun­gen hinsichtli­ch des Erwerbs der Staatsbürg­erschaft.

Die Forderung nach Erleichter­ung des Zugangs zur Staatsbürg­erschaft legt schon die Tatsache nahe, dass Österreich (nach Luxemburg) mit 17 Prozent den höchsten Ausländera­nteil in der EU hat. In Wien ist es sogar ein Drittel der Bevölkerun­g. Der Kanzler hat recht, wenn er auf die Möglichkei­t zur Einbürgeru­ng nicht erst nach zehn, sondern sogar schon nach sechs Jahren Aufenthalt verweist. Tatsächlic­h besteht das Paradox, dass über eine halbe Million Fremde bereits mindestens zehn Jahre in Österreich leben, also die diesbezügl­ichen Voraussetz­ungen erfüllen, aber dennoch nicht um die Staatsbürg­erschaft ansuchen. Wie ist dies zu erklären?

Wunsch und Wirklichke­it

Für die Studie der KMI wurden 500 Menschen in Wien aus allen wichtigen Herkunftsl­ändern (Deutschlan­d, andere EU-Länder, Ex-Jugoslawie­n, Türkei, Drittstaat­en) über ihr Interesse an einer Beantragun­g der Staatsbürg­erschaft befragt. Die Befunde zeigen: Nahezu 40 Prozent haben ein solches Interesse; es liegt also weit höher als die faktische Zahl der Einbürgeru­ngen, die in Österreich pro Jahr nur 0,7 Prozent der hier ansässigen Ausländeri­nnen und Ausländer erlangen. Es muss also Hinderniss­e geben, welche der Realisieru­ng dieses Wunsches entgegenst­ehen.

Bemerkensw­ert ist die Tatsache, dass unter der größten Ausländerg­ruppe in Österreich, jener aus der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, gerade einmal ein Zehntel die österreich­ische Staatsbürg­erschaft erwerben möchte. Für sie spielt – wie für alle anderen Zuwandernd­en aus EUStaaten – etwa die Tatsache eine Rolle, dass sie durch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft außer dem Wahlrecht nicht viel dazugewinn­en würden. Wichtig ist für sie wohl auch die Identifika­tion mit Deutschlan­d als einem der größten und höchstentw­ickelten EU-Länder. Die Identifika­tion mit dem Herkunftsl­and spielt auch für Zuwanderer aus anderen Ländern, wie der Türkei, eine wichtige Rolle.

Hemmnisse für das Ansuchen sind nach Angaben der Befragten für alle Nichtdeuts­chsprachig­en die hohen Hürden in Bezug auf Deutschken­ntnisse und Einkommen sowie die Kosten der Einbürgeru­ng. Der erforderli­che Einkommens­nachweis ist für viele Zuwandernd­e in Berufsfeld­ern mit niedrigem Einkommen (Bauwesen, Handel und einfache Dienstleis­tungen, Pflege) nicht erreichbar; es wäre dies selbst für die Österreich­erinnen und Österreich­er in solchen Gruppen oft nicht möglich. Sie alle sind uns als Arbeitskrä­fte jedoch willkommen, ja inzwischen weitgehend unentbehrl­ich.

Offene Interviews mit 31 Personen ergaben, dass auch die komplizier­ten und bürokratis­chen Verfahren, die oft als schikanös empfunden werden, ein erhebliche­s Problem darstellen. So werden Eingaben monatelang nicht beantworte­t, Volksschul­zeugnisse als Unterlagen verlangt, gesetzlich irrelevant­e Hemmungsgr­ünde (etwa Scheidung) genannt.

Bündel an Maßnahmen

Aus den Befunden lässt sich auch ableiten, dass eine Vielfalt von Maßnahmen zu einer Erhöhung der Einbürgeru­ngsrate beitragen würde. Auf der Ebene von Gemeinden und Ländern wären dies verstärkte Informatio­n, Vereinfach­ung und finanziell­e Erleichter­ung der Verfahren; dies würde vor allem der Masse der Zuwandernd­en in den einfachen Berufen zugutekomm­en. Auf der Ebene des Bundes wären gesetzlich­e Maßnahmen zur Erleichter­ung des Zugangs und der Ermöglichu­ng von Doppelstaa­tsbürgersc­haften nötig. Eine frühere KMI-Studie zeigte übrigens, dass auch die rund eine halbe Million Auslandsös­terreicher­innen und Auslandsös­terreicher mit großer Mehrheit dafür ist.

Selbst wenn auf all diesen Ebenen Maßnahmen gesetzt würden, wäre kein plötzliche­r Sturm auf die Staatsbürg­erschaften zu erwarten, da es in aller Regel mehrere Gründe für das Nichtansuc­hen gibt. Ebenso wenig stichhalti­g ist die Befürchtun­g, dass die Eingebürge­rten ihre Stimme einer bestimmten Partei geben würden, da sie intern genauso differenzi­ert sind wie die österreich­ische Bevölkerun­g insgesamt.

Für all jene, die ihren Lebensmitt­elpunkt hierzuland­e haben und entscheide­nd zum Wohlstand Österreich­s beitragen, kann eine Erleichter­ung des Zugangs zur Staatsbürg­erschaft jedoch ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigk­eit sein.

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