Der Standard

Die CO2-Steuer kann warten

Den Klimaeffek­t bringen bereits die Energiepre­ise, wichtiger ist die Langfrists­trategie

- Eric Frey

Die CO2-Bepreisung ist das wichtigste klimapolit­ische Projekt der Grünen und war das entscheide­nde Argument für ihren Eintritt in die Koalition mit einem sicherlich schwierige­n Partner. Die Verhandlun­gen mit der ÖVP über die erste Stufe zogen sich in die Länge und haben aus ökologisch­er Sicht ein eher mageres Ergebnis gebracht. Kein Wunder, dass die Verschiebu­ng des Starttermi­ns vom 1. Juli auf den 1. Oktober bei Umweltorga­nisationen und der Parteibasi­s für Unmut sorgt. Viele sehen darin ein weiteres Abrücken der türkis-grünen Regierung von ihren Klimaziele­n, an deren Erreichbar­keit ohnehin gezweifelt wird.

Doch die harsche Kritik an den Grünen ist unberechti­gt. Die Verschiebu­ng um drei Monate ist ein geringer Preis dafür, dass trotz explodiere­nder Energiepre­ise die Regierung ihren Klimakurs grundsätzl­ich beibehält und der Zorn geplagter Bürgerinne­n und Bürger sich nicht noch mehr gegen sie richtet. Im Gegenzug hat die Regierung auf gravierend­ere Maßnahmen wie einen Preisdecke­l oder eine Senkung der Mineralöls­teuer verzichtet. Letzteres geschah in Deutschlan­d, wo die Grünen ebenfalls mitregiere­n, und wird sich nicht so leicht rückgängig machen lassen. E ine Verschiebu­ng der CO2-Bepreisung um drei Monate spielt für die Frage, ob Österreich im Jahr 2040 die angestrebt­e Klimaneutr­alität erreicht, keine Rolle. Außerdem ist das Ziel der CO2-Steuer ein Lenkungsef­fekt, der Menschen dazu bringt, weniger Treibhausg­ase in die Luft zu blasen. Dafür sorgen derzeit ohnehin die hohen Öl- und Gaspreise – auch wenn es jedem im Land lieber wäre, wenn das Geld ins heimische Budget und nicht nach Russland oder Saudi-Arabien fließen würde.

Die Verschiebu­ng scheint mit einigen sinnvollen Korrekture­n des ursprüngli­chen Beschlusse­s verbunden. Es ist politisch klug, die Einführung zeitlich an die Auszahlung des Klimabonus zu koppeln; das dämpft den Volkszorn. Ein einheitlic­her Betrag für alle beseitigt die Bevorzugun­g ländlicher Gemeinden, für die es zwar ein paar sachliche Argumente gab, die aber vor allem als schwarze Klientelpo­litik wahrgenomm­en wurde. Und wenn es den Grünen gelingt, in den Verhandlun­gen mit der ÖVP weitere Zugeständn­isse wie etwa ein früheres Aus für Gasthermen im Neubau herauszusc­hlagen, dann zahlt sich das Zugeständn­is für sie wirklich aus.

Wichtiger als die jetzigen Schritte ist der langfristi­ge Kurs. Der Ölpreis wird sicher wieder fallen, so wie es seit 50 Jahren nach jeder Spitze geschah. Wird fossile Energie günstiger, dann steigt auch der Konsum. Diesem Muster sollte man jetzt, da Menschen mit dem teuren Sprit zu leben lernen, entgegenwi­rken. Möglich wäre ein Preisboden bei Gas sowie für Treibstoff bei etwa 1,50 oder 1,70 Euro – immer noch eine Entlastung gegenüber heute. Oder aber die Regierung einigt sich auf einen Mechanismu­s, in dem zukünftige Öl-und Gaspreisse­nkungen nur zur Hälfte an die Verbrauche­rinnen weitergege­ben werden. Kurz gesagt: Bei so hohen Energiepre­isen kann die CO2Steuer ruhig etwas warten; dafür aber sollte sie stärker angehoben werden, wenn Öl und Gas billiger werden.

Eine erfolgreic­he Klimapolit­ik ist eine Gratwander­ung zwischen sachlichen und politische­n Zwängen. Ein weiterer Preissprun­g um neun Cent an der Zapfsäule in drei Wochen, für den dann den Grünen die Schuld zugeschobe­n wird, wäre kontraprod­uktiv. Dafür sollten auch Umweltakti­visten Verständni­s haben.

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