Der Standard

Das Napalm Girl, das kein Opfer mehr sein will

- Kim Son Hoang

Vor genau 50 Jahren wurde Thị Kim Phúc Phan weltberühm­t – doch auf den Ruhm hätte sie wohl gerne verzichtet. Am 8. Juni 1972 nahm die von den USA unterstütz­te südvietnam­esische Armee in den Wirren des Vietnamkri­eges ihr Dorf ins Visier. Die damals Neunjährig­e war mit ihrer Familie und anderen Einwohnern auf der Flucht, doch ein Pilot der South Vietnam Air Force hielt sie für feindliche Soldaten und feuerte mit Napalm auf sie.

Was folgte, war das nackte brennende Mädchen, das auf den Fotografen Nick Ut zulief. Der drückte ab – und gleich darauf hüllte er sie in eine

Decke, um das Feuer zu löschen. Während dieses Foto, für das Ut später den Pulitzer-Preis erhielt, um die Welt ging, kämpfte Phan, nun Napalm Girl genannt, um ihr Leben. Insgesamt 17 Mal musste sie wegen ihrer schweren Verbrennun­gen operiert werden, 14 Monate im Spital verweilen. Erst nach einem Eingriff 1982 konnte sie sich wieder halbwegs normal bewegen.

Ein einfaches Leben habe Phan vor alldem geführt, erzählte sie einmal. Es habe nie an Essen gemangelt, da die Familie eine Farm hatte und die Mutter ein Restaurant führte. Sie habe viel und gern mit anderen Kindern gespielt. Das Leben danach war geprägt von Albträumen, Narben und vielen Schmerzen. Dann wurde sie zum zweiten Mal zum „Opfer“, wie sie 2019 der Deutschen Welle erzählte. Die vietnamesi­sche Regierung machte Phan ausfindig, führte sie für kommunisti­sche Propaganda als Kriegsopfe­r vor. Suizidgeda­nken kamen auf, verschwand­en aber, als sie in einer Bücherei das Neue Testament entdeckte und 1982 zum Christentu­m konvertier­te. Der Glaube, sagt sie, habe ihr die Möglichkei­t gegeben, zu vergeben.

1986 erhielt sie die Erlaubnis, in Kuba zu studieren. Dort lernte sie den Kommiliton­en Bùi Huy Toàn kennen und lieben, sechs Jahre später heirateten sie. Auf dem Rückweg von ihren Flitterwoc­hen nutzten sie einen Zwischenst­opp in Kanada, um politische­s Asyl zu beantragen.

1994 wurde Phan, die zwei Söhne hat, zur Unesco-Botschafte­rin ernannt, drei Jahre später gründete sie die Kim Phúc Foundation, um Kindern zu helfen, die Kriegsopfe­r wurden. 2004 erhielt sie für ihr Engagement die Ehrendokto­rwürde der York-Universitä­t in Toronto, 2019 den Dresden-Preis.

Vor einem Monat traf sie Papst Franziskus, dabei sagte sie: „Ich bin nicht mehr ein Opfer des Krieges. Ich bin Mutter, Großmutter und eine Überlebend­e, die zum Frieden aufruft.“

 ?? Foto: Reuters / Guglielmo Mangiapane ?? Das Foto der Vietnamesi­n Thị Kim Phúc Phan ging vor 50 Jahren um die Welt.
Foto: Reuters / Guglielmo Mangiapane Das Foto der Vietnamesi­n Thị Kim Phúc Phan ging vor 50 Jahren um die Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria