Der Standard

Die türkise Corona-Kassa

Die ÖVP-Affäre um Hilfsgelde­r aus dem NPO-Fonds weitet sich aus. Ein Seminarhot­el in Besitz der türkisen Parteiakad­emie kassierte 220.000 Euro, auch parteinahe Vereine langten kräftig zu. Die Zahlungen werden nun geprüft, die Optik ist schief.

- FRAGE & ANTWORT: Jan Michael Marchart, Stefanie Rachbauer

Die ÖVP und die Corona-Hilfen, das ist eine pikante Geschichte. Sie begann damit, dass der oberösterr­eichische Seniorenbu­nd über Vereine fast zwei Millionen Euro aus dem „Non-ProfitOrga­nisationen-Unterstütz­ungsfonds“des Bundes kassiert hat – obwohl Parteien und ihre Teilorgani­sationen davon ausgeschlo­ssen sind. Nun sind zwei neue Kapitel dazugekomm­en. Stein des Anstoßes sind diesmal Förderunge­n für das türkise Springer-Schlössl und an ÖVP-nahe Vereine sowie ÖVP-Teilorgani­sationen in anderen Bundesländ­ern. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Frage: Warum ist jetzt ausgerechn­et das Springer-Schlössl Teil der Diskussion um die Corona-Hilfen?

Antwort: Das ist der Fall, weil das in die Jahre gekommene Gebäude in Wien-Meidling nicht nur ein Seminarhot­el ist, sondern auch die Politische Akademie der ÖVP – also die türkise Parteiakad­emie – beheimatet. Dieser gehört die Betriebsge­sellschaft des Hotels. Eben diese Gesellscha­ft hat Corona-Hilfen beantragt und überwiesen bekommen, wie Ö1 informiert­e. Konkret geht es um 185.000 Euro als Umsatzersa­tz Ende 2020 – DER STANDARD berichtete über einen Teil. Zusätzlich flossen weitere 220.000 Euro aus dem NPOFonds an die türkise Gesellscha­ft.

Frage: Ist das problemati­sch?

Antwort: Vor allem die Optik ist schief. Laut dem Büro von Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) durften Parteiakad­emien, die 2021 mit insgesamt 10,5 Millionen Euro staatlich gefördert wurden, Geld aus dem NPO-Fonds beantragen. Warum? Weil Akademien per Gesetz gemeinnütz­ig sein müssen und somit anspruchsb­erechtigt sind. Bei der ÖVP-Akademie handelt es sich formal auch nicht um eine Teilorgani­sation. Direkt habe keine Parteiakad­emie Hilfe aus dem Fonds abgeholt, heißt es aus Koglers Ministeriu­m, jene der ÖVP indirekt über die Hotelgesel­lschaft. Einen Grund, den Fall zu prüfen, sieht man nicht.

Frage: Haben andere Parteien auch Hotels oder Pensionen?

Antwort: Die Grünen und die Neos laut Eigenangab­en nicht. Die SPÖ seit 2018 auch nicht: Damals verkaufte sie das Gartenhote­l Altmannsdo­rf, einst Sitz des roten Renner-Instituts. Die Bundes-FPÖ besitzt auch keine Beherbergu­ngsbetrieb­e, aber das Bildungsin­stitut St. Jakob in Osttirol ist ein Verein der Wiener FPÖ. In dessen Pension Enzian bunkerte die FPÖ Goldbarren.

Frage: Welche ÖVP-nahen Vereine sind darüber hinaus betroffen?

Antwort: Eine parlamenta­rische Anfrage der Neos an Kogler zeigt, dass von Juli 2020 bis März 2022 fast nur türkise Vorfeldorg­anisatione­n, damit assoziiert­e Vereine (zum Beispiel Seniorenbü­nde) sowie weitere ÖVP-nahe Vereine (etwa Schüleruni­on) nicht nur in Oberösterr­eich, sondern (mit Ausnahme von Salzburg) auch in den anderen Bundesländ­ern rund 1,46 Millionen Euro aus dem NPO-Fonds kassierten.

Frage: Hat das Konsequenz­en?

Antwort: Das prüft Koglers Ministeriu­m derzeit. Möglich ist, dass der Bezug der Gelder durch die Seniorenbü­nde,

sowie – wie nun bekannt wurde – die JVP Niederöste­rreich (sie kassierte 3270 Euro) rechtlich problemati­sch sein könnte. Dabei handelt es sich laut den Parteistat­uten um Teilorgani­sationen der ÖVP. Der Tiroler Seniorenbu­nd argumentie­rte zuletzt zwar damit, dass die Gelder, wie in Oberösterr­eich, an einen ausgelager­ten Verein und damit nicht an eine Teilorgani­sation flossen. Allerdings unterstrei­cht der Rechnungsh­of in seiner jüngsten Analyse zum ÖVP-Rechenscha­ftsbericht für 2019, dass dem Seniorenbu­nd sämtliche Vereinskon­struktione­n zuzurechne­n sind. Damit sind Hilfszahlu­ngen aus dem NPOFonds ausgeschlo­ssen. Anders verhält sich das bei der ebenfalls betroffene­n Schüleruni­on oder der studentisc­hen Aktionsgem­einschaft.

In den türkisen Statuten sind sie nicht als Teilorgani­sationen gelistet. Wenn sie der ÖVP nur nahestehen, können sie Gelder aus dem NPOFonds beantragen. Sicherheit­shalber werde aber auch hier geprüft, heißt es aus Koglers Ressort.

Frage: Sind auch andere Parteien betroffen?

Antwort: Abgesehen von Vereinen in türkisen Kreisen scheint in der Anfragebea­ntwortung der SPÖnahe Pensionist­enverband Österreich auf. Eine an diesen bezahlte Förderung über 1740 Euro habe man zurückbeko­mmen, heißt es. Bereits bekannt war, dass der Ring Freiheitli­cher Jugend in Österreich rund 1600 Euro und das Reisebüro des Pensionist­enverbands 111.349 Euro aus dem Fonds bekommen hat.

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Das Springer-Schlössl: Sitz der ÖVP-Parteiakad­emie und Hotel.

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