OeNB erwartet Inflation von sieben Prozent und sinkende Reallöhne
Der Krieg stoppte das starke Wirtschaftswachstum vom Jahresbeginn abrupt – Mit einer Stagflation rechnet die OeNB dennoch nicht
Täglich wird die Liste jener länger, die der Weltwirtschaft düstere Zeiten prognostizieren. Nach Weltbank, OECD, Wifo und EZB zieht nun auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) nach. Allesamt haben sie ihre angenommenen Wachstumsaussichten zusammengestrichen und die Erwartungen bei der Inflation nach oben geschraubt.
Die Prognose der OeNB steht klarerweise ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs und der horrenden Energiepreise. Konkret erwarten die Notenbanker für heuer eine Inflationsrate von 7,0 Prozent, ein satter Anstieg, denn im April waren es noch 5,6 Prozent. Im Juli soll der Höhepunkt erreicht sein, danach dürfte die Teuerung bis Jahresende langsam nachlassen.
„Vor allem Energie und Lebensmittel treiben die Preise massiv, der Großhandelspreis für Gas stieg in den vergangenen zwölf Monaten um 383 Prozent, jener für Weizen um 81 Prozent“, sagte die Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft der OeNB, Birgit Niessner. Das sei zwar hauptsächlich importierte Inflation. Aber auch die heimische Kerninflation – ohne Energie und Lebensmittel – dürfte heuer 4,1 Prozent betragen, kommendes Jahr sogar weiter ansteigen und der entscheidende Preistreiber sein.
Nach einer zu Jahresbeginn noch kräftigen Erholung in Österreich bremsten die Folgen des UkraineKriegs die Konjunktur abrupt. Für 2022 geht die Notenbank dennoch von einem Wachstum von 3,8 Prozent aus – vorausgesetzt, es kommt zu keinem weiteren Lockdown im Tourismus und Gastgewerbe. „Covid wird noch als Risiko angesehen, aber nicht mehr als reale Bedrohung“, sagt OeNB-Gouverneur Robert Holzmann.
Wachstum schrumpft
In den beiden folgenden Jahren soll das Plus mit 1,9 Prozent nur noch halb so hoch ausfallen. „Diese Zahlen basieren auf der Annahme, dass es bis zum Jahresende eine Lösung im Ukraine-Krieg gibt und die Sanktionen gegenüber Russland noch bis mindestens 2024 aufrechtbleiben“, sagt Holzmann.
Corona gilt als überwunden, die Umstände bleiben schwierig. Nichtsdestotrotz geht die OeNB davon aus, dass das starke Beschäftigungswachstum vom ersten Quartal anhalten wird. Kommendes Jahr dürfte es aber, gemeinsam mit dem Konjunkturabschwung, auch damit nach unten gehen.
Mit einer Stagflation, also hoher Inflation bei stagnierender Wirtschaft, sei nicht zu rechnen, meint Holzmann. Die Inflation wird aber die Haushalte hart treffen. Denn die Reallöhne, also das um die Inflation bereinigte Arbeitseinkommen, dürfte heuer um 2,5 Prozent und damit „historisch stark“zurückgehen.
Als „lange Reise“sieht Gouverneur Holzmann die Anhebung von Zinsen: Bekanntlich hat die Europäische Zentralbank am Donnerstag angekündigt, die milliardenschweren Netto-Anleihenkäufe mit Anfang Juli auslaufen zu lassen und danach die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Als „notwendiges Signal und richtige Entscheidung“bezeichnet er den Schritt, zugleich machte er deutlich, dass er für einen stärkeren Schritt – eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte – gewesen wäre.
Ökonominnen und Ökonomen predigen es die ganze Zeit: Zentralbankpolitik ist zum Gutteil Psychologie. Dabei geht es ums Schüren und Dämpfen von Erwartungen, die die Wirtschaft beeinflussen. Die vieldiskutierte Zinswende der EZB vom Donnerstag ist dafür ein Musterbeispiel.
In Wahrheit ist sie nämlich eine läppische Angelegenheit. Die Leitzinsen werden um einen Viertelprozentpunkt angehoben, und das nicht einmal sofort, sondern im Juli. Der Ankauf von Anleihen wird gestoppt, die Papiere im Billionenwert aber vorerst weiter gehalten.
Werden diese Schritte wirklich real durchschlagen? Werden sie also wirklich eine dermaßen veränderte Zinslandschaft hervorbringen, dass Konsumenten und Unternehmen dazu geneigt sind, andere Entscheidungen als bisher zu treffen? Nein.
Entscheidend ist vielmehr der enorme psychologische Effekt. Alle Welt redet jetzt von der großen Zinswende in der Eurozone. Aus Politik, Wissenschaft und Medien tönt es, dass sich die EZB erstmals von der Nullzinspolitik verabschiedet und Schritte gegen die Inflation setzt.
Genau um dieses Tönen geht es. Es geht darum, dass viele Menschen erwarten, die Inflation werde schon nicht so schlimm werden – und aufgrund dieser Annahme entspannt ihren nächsten Urlaub planen oder im Supermarkt einkaufen. Vielleicht wird sie gerade deshalb wirklich nicht so schlimm.