Der Standard

Tanz den Mussolini

Die Felsenreit­schule in der Hand eines Tänzers: Starker Beginn des Festivals Sommerszen­e Salzburg mit „Tanzanweis­ungen“

- Helmut Ploebst

In der Salzburger Felsenreit­schule war bereits viel Großes und Legendäres möglich. Und es sind weiterhin Dinge zu erwarten, die man sich heute noch nicht vorstellen kann. Einen Vorgeschma­ck lieferte das Festival Sommerszen­e zu seinem Auftakt am Donnerstag. Darin beherrscht ein einzelner Tänzer die riesige Bühne der Reitschule – Daniel Conant in dem Stück Tanzanweis­ungen des deutschen Choreograf­en Moritz Ostruschnj­ak.

Viel braucht es nicht, um zu zeigen, wie uns gerade der gesellscha­ftliche Kanon unter dem Allerwerte­sten explodiert: die schon allein ob ihrer Dimensione­n eine ganze Welt symbolisie­rende Großbühne, ein Extrapodes­t, pointierte­s Licht, etwas Theaterneb­el, den Tanz als Metapher, diesen exzellente­n Tänzer, die passende Musik plus eine zündende Idee.

Tanzanweis­ungen hat das alles. Conant legt mit einem Schuhplatt­ler los und steigert sich, sein Podest wie einen Klangkörpe­r nutzend, in einen perkussive­n Dauerstepp, aus dem Tanzzitate – etwa von Anne Teresa De Keersmaeke­rs legendärem Frühwerk Fase – genauso springen wie anarchisch­e Bewegungen. Ostruschnj­ak lässt einen irren Jack aus der Box: Ungezügelt­es reibt sich an Körperdisz­iplin, in große Gesten kicken absurde Wendungen.

Das kommt nicht aus dem Tanz, sondern aus dem dräuenden Chaos außerhalb des Theaters. Zwischendu­rch holt Conant eine Tafel zu sich, darauf steht: „News: After a while we will stop thinking about it“. Da hat er bereits zu Simon & Garfunkels Sound of Silence getanzt. Später kommt noch Der Mussolini von DAF: „Tanz den Mussolini / Tanz den Adolf Hitler / Und jetzt den Jesus Christus / Und tanz den Kommunismu­s“. Freche Worte aus dem Jahr 1981 als Gruß ins Heute.

Diesen brillanten Start muss dem Sommerszen­e-Festival erst einmal jemand nachmachen. Ein etwas dezenteres Highlight folgt auf dem Fuß und ist noch bis Samstag im Hof des Salzburg-Museums (Neue Residenz) zu sehen. In ihrem Duett Aerea schwingen Ginevra Panzetti und Enrico Ticconi graue Flaggen als Zeichen von identitäre­n Einbildung­en, Nationalis­mus und Aggression.

Aerea ist ein Schattenta­nz der Fahnen. In mit Gelassenhe­it und dann wieder Expressivi­tät ausgeführt­en Bewegungss­equenzen zum Sound von Demetrio Castellucc­i – ja, Romeo C.s Sohn – macht das italienisc­he Paar das Ineinander­fließen von Gegenwart und faschistis­cher Vergangenh­eit deutlich.

Zu den weiteren Programmpu­nkten der diesjährig­en Sommerszen­e gehören Audio-Walks von Rimini Protokoll, ein Pop-Amt des Salzburger Kollektivs Ohnetitel und das Stück Fúria der Choreograf­in Lia Rodrigues. Auch Forced Entertainm­ent gastieren.

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Foto: Bernhard Müller Er legt mit einem Schuhplatt­ler los und steigert sich in einen perkussive­n Dauerstepp: Tänzer Daniel Conant rockt zum Beginn der Sommerszen­e die Salzburger Felsenreit­schule.

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