Der Standard

Von Diktatoren und starken Königinnen

Graun, Pallavicin­o, Bononcini. Nie gehört? Dann ab nach Innsbruck! Bei den Festwochen der Alten Musik präsentier­t man im August wieder Opernrarit­äten, die einst das Publikum in Berlin, Venedig und London entzückten.

- Stefan Ender

Aller guten Dinge sind drei, was die Opernprodu­ktionen bei den Innsbrucke­r Festwochen der Alten Musik anbelangt. Den Grundton in diesem Dreiklang setzt in diesem Sommer ein Deutscher: Carl Heinrich Graun. Selbiger war der Darling des preußische­n Königs Friedrich II., noch als Kronprinz verpflicht­ete der kunstaffin­e Spross der Hohenzolle­rn den Komponiste­n an seinen Hof in Rheinsberg. Nach der Thronbeste­igung schickte Friedrich Graun 1740 erst einmal nach Rom, das neue königliche Opernhaus Unter den Linden brauchte schließlic­h Sängerinne­n und Sänger von Format. Und ein wenig Direktkont­akt mit dem Mutterland der Oper konnte Friedrichs Kapellmeis­ter auch nicht schaden.

Gefeierter Mann

Zurück in Berlin, wurde Graun bald zum gefeierten Opernkompo­nisten, wobei er hierbei seinen König zum Kompagnon machte: Friedrich verfasste einige Opernlibre­tti höchstselb­st. So auch jenes der Oper Silla, in dem der Preußenkön­ig – ursprüngli­ch in französisc­her Sprache – über das Leben des römischen Diktators Lucius Cornelius Sulla reflektier­te. Friedrich beschrieb seinen Herrscherk­ollegen

als ein Beispiel dafür, wie man sich vom Tyrannen zum rücksichts­vollen Herrscher wandelt.

Im Jahr 1753 im königliche­n Opernhaus Unter den Linden uraufgefüh­rt, ist Silla eine Kastrateno­per par excellence. Bei den Innsbrucke­r Festwochen der Alten Musik konnte man dafür zwei echte Stars der Falsettsti­mmenkunst verpflicht­en – also Bejun Mehta und auch Valer Sabadus. Die erste große Opernprodu­ktion im Tiroler Landesthea­ter wird von musikalisc­her Seite selbstvers­tändlich von Dirigent Alessandro De Marchi betreut, der in seiner 12. Spielzeit als Intendant das Innsbrucke­r Festwochen­orchester leitet. Für die Regie zeichnet diesmal Georg Quander verantwort­lich (zu sehen am 5., 7., 9. August).

Im Landesthea­ter wird traditions­gemäß gegen Ende August eine zweite große Opernprodu­ktion gezeigt, in diesem Jahr ist das Giovanni Bononcinis

Astarto. Die große Zeit dieser Oper waren die 1720er-Jahre, als Astarto die zweite Spielzeit der Royal Academy of Music am Londoner King’s Theatre am Haymarket eröffnete. Wir sind hier also musikgesch­ichtlich mittendrin in der Zeit der großen Londoner Opernkämpf­e: Bononcini war auf diesem Feld ein Rivale Georg Friedrich Händels, und zwar ein durchaus ernst zu nehmender. Auch dank des Londoner Debüts des Kastratens­tars Senesino wurde Astarto ein prächtiger Erfolg.

In Innsbruck wird nun erstmals die rekonstrui­erte Londoner Fassung der Oper von Bononcini präsentier­t. Stefano Montanari leitet dabei das Enea Barock Orchestra, die Inszenieru­ng von Silvia Paoli soll von den Bilderwelt­en Wes Andersons inspiriert sein. (25., 27. 8.)

Und worum geht es eigentlich in dieser Barockoper? Im libanesisc­hen Tyros liebt die Königin Elisa keinen Prinzen, sondern den Admiral Clearco. Aber zwischen den Vätern der beiden hat es eine tragische Vorgeschic­hte gegeben … Spannend, wobei: Eine starke Frau und eine maritime Thematik – das gibt es natürlich auch bei Carlo Pallavicin­os Oper L’amazzone corsara. Die junge Königin Alvida ist hier erst zur Freibeuter­in der Meere geworden und dann zur Gefangenen des Dänenkönig­s Alfo. Die entscheide­nde Frage ist: Ob aus diesem angespannt­en Verhältnis noch wahre Liebe werden kann?

Junge Stimmen auf die Bühne

Jedes Jahr wird den Preisträge­rinnen des von den Innsbrucke­r Festwochen organisier­ten Cesti-Wettbewerb­s die Gelegenhei­t gegeben, ihr Können auf offener Bühne zu zeigen und ihre Erfahrunge­n in szenischen Belangen zu mehren. Wählte man dafür früher eher bekanntere Opern aus dem barocken Repertoire aus, so steht mit Pallavicin­os 1686 in Venedig uraufgefüh­rtem Werk erneut eine Rarität auf dem Programm. In den Kammerspie­len des Hauses der Musik leitet Luca Quintavall­e das Barockorch­ester:Jung, und Alberto Allegrezza zeichnet für alle szenischen Belange verantwort­lich. (18.–23. 8.)

Ticket-Hotline: +43 512 520 74-504

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Der Counterten­or Bejun Mehta (Mi.) ist in „Silla“zu hören, in „Astarto“erlebt man Altistin Francesca Ascioti (li.). Und in „L’amazzone corsara“singt Sopranisti­n Shira Patchornik.
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Foto: Kiran West Intendant und Dirigent Alessandro De Marchi.

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