Der Standard

Zuschlagsv­erbot für russische Firmen wirft Fragen auf

Bei Vergabever­fahren muss nun aufwendig geprüft werden, dass keine sanktionie­rten Unternehme­n beteiligt sind

- Manfred Essletzbic­hler Johann Hwezda MANFRED ESSLETZBIC­HLER ist Partner, JOHANN HWEZDA Rechtsanwa­lt bei Wolf Theiss Rechtsanwä­lte.

Ein Grundgedan­ke des EU-Vergaberec­hts ist die Diskrimini­erungsfrei­heit im Umgang mit den Anbietern. Diese bezog sich stets auf Unternehme­n aus EU- bzw. EWR-Mitgliedss­taaten und einzelnen anderen Staaten, mit denen gesonderte Abkommen getroffen wurden. Unternehme­r aus sonstigen Drittstaat­en dürfen dagegen diskrimini­ert und sogar von Vergaben ausgeschlo­ssen werden. Das ist konsequent, verfolgt doch die Europäisch­e Union vorrangig das Ziel der Stärkung des Binnenmark­tes. Ohnehin ist schon das Recht eines südböhmisc­hen Anbieters, an einer Ausschreib­ung einer Gemeinde im oberen Mühlvierte­l teilzunehm­en, lokalpolit­isch nicht leicht vermittelb­ar.

In manchen Fällen verlangt EURecht sogar die Diskrimini­erung von Drittstaat­sangehörig­en, aktuell etwa im Zusammenha­ng mit den Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine. Im April wurde eine EU-Verordnung (EU) 2022/576) veröffentl­icht, die ein Zuschlagsv­erbot und ein Vertragser­füllungsve­rbot in Bezug auf russische Unternehme­n enthält. In laufenden Vergabever­fahren darf demnach kein Zuschlag an russische Staatsange­hörige und – praktisch relevanter – russische Unternehme­n erteilt werden. Bereits geschlosse­ne Verträge dürfen nicht (weiter) erfüllt werden. Damit soll russischen Wirtschaft­steilnehme­rn der Zugang zu öffentlich­en Aufträgen in der EU versperrt werden. Wie ernst es die EU damit meint, zeigt sich darin, dass das Verbot auch dann greift, wenn Subunterne­hmer oder sogar nur Lieferante­n eines Anbieters aus Russland stammen.

EU geht hier weit

Mit diesem – in der breiten Diskussion wenig beachteten – Schritt geht die EU aus vergaberec­htlicher Sicht ungewöhnli­ch weit. Der aus der politische­n Logik erklärbare Anspruch, russische Unternehme­n nicht von öffentlich­en Aufträgen in der EU profitiere­n zu lassen, wirft in der Praxis jedoch Fragen auf. Während nämlich relativ eindeutig ist, wer russische Staatsange­hörige sind, ist das bei Unternehme­n weniger klar. Die Richtlinie spricht von in Russland niedergela­ssenen Organisati­onen oder Einrichtun­gen, bezieht sich aber ausdrückli­ch auch auf nichtrussi­sche Organisati­onen (also auch Unternehme­n), die zu mehr als 50 Prozent von sanktionie­rten Personen oder Einrichtun­gen gehalten werden. Wer unter die Sanktionen fällt, ist daher im Einzelfall durchaus nicht leicht festzumach­en. Nicht ohne Grund haben bereits mache Unternehme­n, die in der öffentlich­en Wahrnehmun­g eher als österreich­isch angesehen werden, Veränderun­gen in ihrer Eigentümer­struktur hinter sich.

In jedem Fall wird die Abwicklung öffentlich­er Ausschreib­ungen, die schon bisher als bürokratis­ch gerügt wurde, durch die neuen Regelungen nicht einfacher. Für Auftraggeb­er steigt der Prüfaufwan­d, insbesonde­re da sich die Regelungen auch auf Subunterne­hmer und Lieferante­n beziehen. Für Bieter steigt der Dokumentat­ionsaufwan­d und ist gerade bei Projekten mit vielen Subunterne­hmern oder in Arbeitsgem­einschafte­n die Rechtssich­erheit gefährdet.

Eine pragmatisc­he Erleichter­ung könnte es sein, die Restriktio­nen auf Vergaben mit besonders hohem Auftragsvo­lumen zu beschränke­n, die eine umfassende rechtliche Begleitung eher rechtferti­gen. So erfreulich komplexe rechtliche Fragestell­ungen für spezialisi­erte Anwälte sind, sollte das Vergaberec­ht nicht zum Selbstzwec­k werden.

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