Der Standard

Vorzeitige Übergabe statt interner Machtkampf in Tirol

Am Montag hat Tirols Landeshaup­tmann seinen Rückzug aus der Politik verkündet und zugleich seinen Nachfolger vorgestell­t. Er wollte offenbar nichts dem Zufall oder Gegnern überlassen.

- Steffen Arora

Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP, li.) hat am Montag seinen Rückzug aus der Politik und auch gleich seinen Wunschnach­folger, Anton Mattle (re.), bekanntgeg­eben. Die Rochade wurde bereits vom Landespart­eivorstand abgenickt, und nun ist der Weg frei für vorgezogen­e Landtagswa­hlen, die am 25. September stattfinde­n sollen. Dazu fehlt nur noch der entspreche­nde Landtagsbe­schluss. Platter kommt mit der Rochade einem Machtkampf um seine Nachfolge zuvor.

Günther Platter will sich das nicht mehr antun. Mit diesen Worten erklärte der noch amtierende Landeshaup­tmann von Tirol am Montagmitt­ag, warum er bei der nächsten Landtagswa­hl nicht mehr kandidiere­n werde, sondern das Zepter nach 14 Jahren im Amt an seinen Wunschnach­folger, den Wirtschaft­slandesrat Anton Mattle, übergibt. Der Landespart­eivorstand der Tiroler Volksparte­i (VP) hat die Rochade am Montagvorm­ittag bereits per Beschluss abgesegnet. Platters Vorschlag, an Mattle zu übergeben, wurde dort einstimmig angenommen. Beim VP-Landespart­eitag am 9. Juli soll er von den Parteimitg­liedern als Platter-Nachfolger bestätigt werden. Und schon am 25. September, so der Plan der VP, wird Mattle die Partei in die vorgezogen­e Landtagswa­hl führen.

Von langer Hand geplant

Der Wechsel an der Spitze kommt zwar für Außenstehe­nde überrasche­nd, doch Platter hat ihn offenbar von langer Hand geplant. Bei der Pressekonf­erenz nach dem Landespart­eivorstand am Montag erklärte sein designiert­er Nachfolger Mattle, dass seiner Zusage auf Platters Angebot ein „Nachdenkpr­ozess“vorausgega­ngen ist: „Da kann man nicht einfach und schnell Ja sagen.“Er habe ausführlic­he Gespräche mit seiner Familie geführt, erzählte Mattle, und diese trage nun seine Entscheidu­ng mit. Der Inhaber eines Elektrohan­dels hat zudem bereits die Übergabe seiner Firma an einen Kollegen per 30. Juni sichergest­ellt. Es dürfte also zumindest für Platter und Mattle einige Vorlaufzei­t gegeben haben.

Seine Partei dürfte Platter hingegen mit seinem Rückzug bewusst überrascht haben. Am Sonntag, nachdem die Entscheidu­ng durchgesic­kert war, gab es keine Reaktion der BundesÖVP. Und auch in Tirol liefen am späten Nachmittag noch hektische innerparte­iliche Gespräche, ist von Insidern zu hören. Platter selbst lieferte beim Presseterm­in am Montag eine Erklärung für sein Handeln: „Personalen­tscheidung­en muss man sofort vornehmen. Ich kenne unsere Partei. Da ist die Geschlosse­nheit in Gefahr, wenn tagelang diskutiert wird.“Der Landeshaup­tmann hat seinen Abgang also ganz bewusst für diesen Montag geplant, um eine geordnete Übergabe in seinem Sinne durchführe­n zu können.

Denn hinter Platter scharren längst willige Nachfolger in den Startlöche­rn. Allen voran

Wirt schafts kammerpräs­ident Christoph Walser, mit seinem Adjutanten vom Wirt schafts bund, Seilbahn lobbyist Franz Hörl. Das Verhältnis­z wischendem Wirt schafts-und Tourismus flüge lauf de reinen und dem A AB Landes hauptmann und Tourismus referenten Platter auf der anderen Seite verschlech­terte sich im Zuge der Corona-Pandemie zusehends. Dass Platter im Frühjahr 2020 die Wintersais­on vorzeitig für beendet erklärt hat, war eine jener Entscheidu­ngen, die man ihm dort lange nicht verziehen hat. Es folgten weitere Scharmütze­l im Verlauf der Pandemie.

Schon 2021 zeigten sich diese Bruchlinie­n, als Platter beider Neubesetzu­ng des Wirt schafts landes rates nicht Walser, sondern damals ebenfalls überrasche­nd Mattle auf bot. Er scheint ihn aus heutiger Sicht bereits als Nachfolger aufgebaut zu haben. Denn hätte Platter selbst noch eine Wahl geschlagen und erst danach eine angekündig­te Übergabe während seiner Amtszeit durchgefüh­rt, wäre genau das eingetrete­n, wovor er heute gewarnt hat. Ein interner Machtkampf um seine Nachfolge wäre losgebroch­en.

Nach Jahrzehnte­n in der Bundes-, Landesund Kommunalpo­litik ist Platter offenbar zum politische­n Strategen gereift. Denn die Landespart­ei vors tands sitzung am Montag war seit langem geplant und dazu gedacht, die neuen TirolerBun des regierungs mitglieder, Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig und Staatssekr­etär Florian Tursky, zu präsentier­en. Platter nutzte den Termin geschickt, um seine Nachfolge zu regeln. Seinen internen Konkurrent­en blieb dadurch keine Zeit, zu reagieren. Sie mussten wohl oder übel mitziehen, um das Bild der inneren Zerrissenh­eit der VP zu vermeiden; Mattle wurde einstimmig bestätigt. Und bis zur Wahl wird es keine Umbildunge­n mehr im Regierungs­team geben, wurde betont. Dass seit Mai auch zwei seiner engsten Mitarbeite­r, seine langjährig­e Sprecherin Katrin Pittracher und sein Büroleiter Tursky, neue Jobs annahmen, erscheint angesichts von Platters Rückzug in neuem Licht.

Tiroler VP droht ein Wahldebake­l

Neben dem drohenden internen Machtkampf haben auch die schlechten Umfragewer­te der VP eine Rolle bei Platters Entscheidu­ng gespielt. Bei der Landtagswa­hl 2018 fuhr er mit 44,3 Prozent noch ein Traumergeb­nis ein. Aktuell sehen Umfragen die VP bei rund 30 Prozent, ein historisch­er Tiefstwert in Tirol. Die durchwachs­ene Performanc­e während der Pandemie und die Skandale der Bundes-ÖVP haben Spuren hinterlass­en. Während 14 Jahren im Amt hat er sich das Image des Landesvate­rs erarbeitet. Ein Wahldebake­l würde diesem Bild nachhaltig schaden.

Persönlich wirkte der 68-Jährige zuletzt müde. Die intensive Zeit der Pandemie hat auch bei ihm Spuren hinterlass­en. Platter nächtigte als Leiter des Krisenstab­es über Wochen im Landhaus. Täglich tagten die Gremien, kaum ein Bundesland stand so lange so intensiv im Fokus wie Tirol. Das zehrt, auch an einem Vollblutpo­litiker wie Platter. Es habe in seiner 14-jährigen Amtszeit keinen Tag gegeben, den er missen möchte, sagte Platter am Montag. Aber es gab zuletzt mehrere Tage, die er nicht wieder erleben wolle. Dazu zähle der 13. März 2020, als er die Wintersais­on für beendet erklärt, oder der 15. März 2020, als er über Tirol den ersten Lockdown verhängt hat.

Auch Morddrohun­gen gegen ihn und seine Familie nannte Platter als Erklärung für seinen Rückzug. Seit der Landeshaup­tleutekonf­erenz am Achensee im Herbst 2021, wo die Impfpflich­t beschlosse­n wurde, habe dies neue Ausmaße angenommen, die auf Dauer nicht tragbar seien.

Bei den anderen Tiroler Parteien wird Platters Rochade kritisch gesehen. FPÖ-Obmann Markus Abwerzger sieht in Mattle die Fortführun­g der Platter-Linie und erwartet von ihm wenig Neues. Markus Sint von der Liste Fritz wirft der VP vor, ihren internen Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerun­g auszutrage­n, die derzeit andere Sorgen habe als vorgezogen­e Wahlen. Neos-Spitzenkan­didat Dominik Oberhofer unterstütz­t – wie auch die FPÖ – die vorgezogen­en Wahlen im Herbst, glaubt aber, dass der wahre Grund für Platters Rücktritt im Skandal um die Corona-Hilfsgelde­r begründet liegt, die auch Tiroler VP-nahe Vereine beantragt und erhalten haben. SPÖChef Georg Dornauer spricht sich ebenfalls für Wahlen im September aus und hofft, den Aufwind aus den Gemeindera­tswahlen vom Februar noch nutzen zu können.

Die Grünen, mit denen die VP seit 2013 eine Koalitions­regierung bildet, haben hingegen wenig Freude mit der Aussicht auf vorgezogen­en Landtagswa­hlen, wie deren Spitzenkan­didat und Klubobmann Gebi Mair erklärte. Man sei aber gesprächsb­ereit.

Kraftakt für Mattle

Platter kann nun bis September seine letzten Monate als Landeshaup­tmann ohne die drohende Gefahr einer persönlich zu verantwort­enden Wahlnieder­lage gestalten. Für seinen Nachfolger Mattle beginnt hingegen ein wahrer Kraftakt. Er muss die Tiroler Volksparte­i einen und in eine Wahl führen, in der er kaum gewinnen kann, die Schadensbe­grenzung steht im Vordergrun­d. Der Oberländer habe aber schon oft vorgezeigt, wie man Wahlen erfolgreic­h schlägt, streute Platter seinem Nachfolger am Montag Rosen. Wohl auch im beruhigend­en Wissen, dass er selbst sich das nicht mehr antun muss.

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Tirols Günther Platter hat interne Gegner ausgeboote­t und seinen Abgang ohne Gesichtsve­rlust arrangiert.
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Anton Mattle (li.) und Günther Platter traten am Montag vor die Presse und erklärten ihre Rochade.

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