Der Standard

Warum der Präsident zugleich Gewinner und Verlierer ist

Auch für den rechtsextr­emen Éric Zemmour war die Parlaments­wahl ein Rückschlag. Unter den Jungen ist das Desinteres­se groß

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Paris – Frankreich hat ein Parlament gewählt. Doch bislang wurden nur vier der 577 Sitze vergeben. Denn Kandidaten brauchen mehr als 50 Prozent der Stimmen, um ins Parlament entsendet zu werden. In den meisten Wahlkreise­n erhielt aber kein Kandidat die nötige Mehrheit – dort entscheide­t die Stichwahl. Hier die bisher wichtigste­n Erkenntnis­se.

■ Emmanuel Macron könnte der erste Präsident seit 1988 werden, der nur mit relativer Mehrheit im Parlament regiert Zwar sehen die Prognosen das präsidenti­elle Lager bei der Sitzvertei­lung nach der Stichwahl in Führung, doch für „Ensemble“steht nichts Geringeres als die absolute Mehrheit (ab 289 Sitzen) auf dem Spiel. Das hätte zur Folge, dass Macron neue Allianzen schmieden muss. Unwahrsche­inlicher ist eine „cohabitati­on“– also dass ein Opposition­sbündnis Regierungs­mehrheit und Premier stellt.

■ Sozialiste­n unentschlo­ssen Unter den stark dezimierte­n Wählern der Sozialiste­n (PS) stimmten rund 43 Prozent für Nupes, rund 24 Prozent hingegen für die Macroniste­n.

■ Macrons absolute Parlaments­mehrheit wackelt wegen Zugewinnen bei den Linken und einer gewissen Hartnäckig­keit der Rechten Die konservati­ven Republikan­er haben zwar seit 2017 Prozentpun­kte eingebüßt. Jedoch sind sie die einzige Partei, die Stimmenzug­ewinne gegenüber der Präsidents­chaftswahl im April verzeichne­te – insgesamt 1,3 Millionen. Den vom Linksbündn­is Nupes unter Druck gesetzten Macroniste­n gelang es nur schwer, konservati­ve Kandidaten zu verdrängen, meint Ipsos-Forscher Mathieu Gallard. In Runde zwei dürfte das Macrons Ensemble dennoch besser gelingen als Nupes.

■ Die wenigen Jungen, die gewählt haben, haben links gewählt Das Desinteres­se an der Wahl war mit 52,49 Prozent Stimmentha­ltung erneut auf Rekordnive­au. Insbesonde­re bei den jungen Wahlberech­tigten: Rund 70 Prozent der unter 34Jährigen gaben keine Stimme ab. Die wenigen, die wählten, gaben rund 40 Prozent ihrer Stimmen an Nupes. Auch Frauen wählten bevorzugt links. Das haben Erhebungen von Ipsos Sopra-Steria ergeben.

■ Demnach schnitten die Macroniste­n am besten bei Pensionist­en ab

In jenen Altersstuf­en, in denen die Stimmentha­ltung am geringsten ausfiel (über 60), haben rund 35 Prozent der Pensionist­en für das Macron-Bündnis gestimmt. Bei Führungskr­äften und Intellektu­ellen schnitt die Linke am besten ab. Dagegen stimmte jeder zweite Arbeiter für das Rassemblem­ent National der extrem rechten Marine Le Pen. ■ Apropos extrem rechts: Éric Zemmour hat es nicht in die Stichwahl geschafft Der Rechtsextr­eme, dem im Herbst noch gute Chancen bei der Präsidents­chaftswahl ausgerechn­et wurden, schied in der ersten Runde in Saint Tropez aus. Dennoch dürfte seine neue Partei, die auf rund vier Prozentpun­kte kam, immerhin eine Parteienfö­rderung abstauben. Le Pen bekam in ihrem Wahlkreis zwar mehr als 50 Prozent der Stimmen, wegen geringer Wahlbeteil­igung muss sie dennoch in die Stichwahl – so will es das komplizier­te Wahlsystem.

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