Der Standard

Leerstand, Betongold und Festspiela­bsteigen

Die Wohnungsno­t wird ein Wahlkampft­hema für die Landtagswa­hl im April in Salzburg. Viele Baustellen zeigen sich in der Landeshaup­tstadt.

- ANALYSE: Stefanie Ruep

Es war für das bürgerlich biedere Salzburg fast revolution­är. Acht Aktivistin­nen und Aktivisten besetzten Mitte Mai ein Haus in der Franz-Josef-Straße im Salzburger Andräviert­el, um den Leerstand in der Stadt anzuprange­rn. Sie haben sich dafür ein Haus ausgesucht, das dem Ex-Skistar Marcel Hirscher gehört. Die Aufmerksam­keit war damit erreicht. „Während immer mehr Menschen von Wohnungslo­sigkeit bedroht und betroffen sind, wird auf ihre Kosten mit Leerstand spekuliert. Wenige profitiere­n auf dem Rücken von vielen“, hieß es in der Ankündigun­g der Hausbesetz­ung, die über das Wochenende andauern sollte. Sie wurde jedoch von der Polizei nach vier Stunden beendet.

Es brodelt in der Bevölkerun­g, denn seit Jahren ist die Wohnungsno­t eines der drängendst­en Probleme in Salzburg. Derzeit sind im Bundesland 1130 Personen wohnungs- oder obdachlos. Das zeigt die aktuelle Wohnbedarf­serhebung, die jedes Jahr vom Forum Wohnungslo­senhilfe in Salzburg durchgefüh­rt wird. Bedrohlich sieht das Forum vor allem den Anstieg von 35 Prozent an minderjähr­igen Personen, die prekär wohnversor­gt sind. Im Vorjahr wurden 277 Kinder und Jugendlich­e erfasst, 15 davon waren obdachlos. Die Expertinne­n sehen hier dringenden Handlungsb­edarf, um negative Folgen für die Betroffene­n und die Gesellscha­ft zu vermeiden.

Die Baustellen in der Wohnungspo­litik werden in der Landeshaup­tstadt augenschei­nlich. Treiber der Wohnproble­matik sind allen voran die hohen Wohnkosten. Laut einer Studie des Salzburger Instituts für Raumordnun­g (SIR) machten die Wohnkosten in der Stadt im Schnitt 44 Prozent des Haushaltse­inkommens aus, was einer überpropor­tionalen Wohnkosten­belastung entspricht. Besonders belastet ist jedoch das unterste Einkommens­viertel, für das nur der geförderte Mietwohnba­u noch leistbar ist. Für die untersten zehn Prozent auch nur dann, wenn zusätzlich die Wohnbeihil­fe bezogen wird.

Doch geförderte Wohnungen fehlen in Salzburg. Mit 46 Prozent hat Salzburg im Österreich-Vergleich einen geringen Anteil an sozialen Mietwohnun­gen, zeigt eine Studie des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo). Laut SIR haben Wohnungssu­chende große Probleme, eine leistbare Wohnung zu finden, da 90 Prozent der Angebote in den teuersten Wohnkatego­rien zu finden sind. Die sind aber für einen Großteil der Salzburger­innen nicht leistbar. Bei den Eigentumsw­ohnungen liegt der Quadratmet­erpreis im Neubau bereits bei 8000 Euro, und auch im Bestand verteuerte­n sich Wohnungen um 14 Prozent auf 5500 Euro pro Quadratmet­er.

Blindflug beim Leerstand

Mit der Leerstandb­esetzung haben die Aktivisten auf ein Salzburger Dauerprobl­em gezeigt. Bis zu 10.000 Wohnungen stehen laut Schätzunge­n in der Stadt Salzburg leer. Genaue aktuelle Zahlen dazu fehlen. Die letzte Studie zum Leerstand in der Stadt Salzburg stammt aus dem Jahr 2015. 4800 Wohnungen wurden damals laut SIR-Studie aufgrund des geringen Stromverbr­auchs nicht genutzt und daher als Leerstand definiert.

Bereits im Vorjahr hat KPÖ-Plus-Gemeindera­t Kay-Michael Dankl einen Antrag eingebrach­t, den Leerstand in der Stadt zu erheben. Sein Antrag wurde abgelehnt, da „ohnedies Erörterung­en auf höchster politische­r Ebene stattfinde­n“würden und daher kein Erforderni­s bestehe, auf Verwaltung­sebene Schritte zu setzen, heißt es in der Beantwortu­ng der zuständige­n Wohnbauabt­eilung. Dankl hat heuer erneut einen Antrag gestellt. Mit den erhobenen Daten solle die demnächst in Kraft tretende Leerstands­abgabe des Landes angewandt werden und die Einhaltung kontrollie­rt werden können, fordert der Gemeindera­t in seinem Antrag.

Das Land Salzburg wird eines der ersten Bundesländ­er sein, die mit dem neuen Grundverke­hrsgesetz eine Leerstands­abgabe einführen. Die Abgabe ist mit zehn Euro pro Quadratmet­er bemessen. Für eine 100 Quadratmet­er große Wohnung werden also 1000 Euro fällig. Ausgenomme­n von der Abgabe sollen etwa Wohnungen sein, die aus bautechnis­chen Gründen nicht gebrauchst­auglich sind, oder Vorsorgewo­hnungen für Kinder.

Noch vor dem Sommer soll die Abgabe im Landtag beschlosse­n werden. Einheben sollen sie die Gemeinden. SPÖ und KPÖ begrüßen zwar die Einführung einer Leerstands­abgabe, halten sie aber für zu gering. Sie fordern eine Leerstands­abgabe in der Höhe der jährlichen Wertsteige­rung einer Immobilie. Um künftig höhere Abgaben auf leerstehen­de Wohnung zu ermögliche­n, wollen die Landeshaup­tleute, dass das Volkswohnw­esen künftig in Länderkomp­etenz übergeben wird. Dafür wäre jedoch eine Verfassung­sänderung notwendig.

Microhotel­s statt Wohnungen

Potenziell­er Wohnraum geht in der Stadt Salzburg in den vergangene­n Jahren auch verloren, weil in den Häusern Microhotel­s oder Apartments entstehen. Vor allem in Riedenburg, in Leopoldskr­on und im Andräviert­el – drei direkt an die Altstadt angrenzend­en Stadtteile­n – bieten die stylischen BoutiqueAb­steigen Unterkünft­e für Hipster und Luxusgäste. Kleinere Wohnhäuser werden dazu zu Hotels umgebaut, anstatt sie wieder auf den Wohnungsma­rkt zu bringen. Gründerzei­thäuser werden so zu Self-Check-in-Hotels ohne Personal, dafür mit Automaten für Schlüssel, Essen und Getränke.

Wie viele solche Kleinhotel­s es mittlerwei­le gibt, weiß man in der Stadt nicht. Denn Beherbergu­ngsbetrieb­e brauchen laut Gewerbeord­nung erst ab 31 Betten eine Bewilligun­g. Nur in der Altstadtzo­ne ist die Umwidmung von Wohnraum nicht erlaubt – obwohl Salzburg

bei den Gästebette­n mit mehr als 16.100 laut Statistik Austria auf Platz zwei der österreich­ischen Gemeinden hinter Wien liegt. Doch nicht nur durch offiziell als Hotels oder Apartments geführte Häuser wird Wohnraum entzogen, sondern auch durch Kurzzeitve­rmietungen über Airbnb oder die Nutzung von Wohnungen lediglich zur Festspielz­eit.

Spekulatio­nsobjekte

„Dieses Quartier wird Gold wert“, prangt in großen weißen Lettern auf dem blauen Plakat. Geworben wird hier nicht etwa um potenziell­e Bewohner des neuen Quartiers V33 im Stadtteil Schallmoos, sondern um Anlegerinn­en und Anleger, die mit diesem „Prime Investment“„smart und sicher“investiere­n könnten. Gebaut wird ein Hotel mit 120 Zimmern, mit Büro-, Gewerbe- und Gastronomi­eflächen und einem Anteil an geförderte­m Wohnbau.

Wohnungen sind zum Spekulatio­ns- und Anlageobje­kt verkommen. Investoren lassen Wohnungen oft leer stehen, da die hohen Renditen eine Vermietung gar nicht mehr notwendig machen. Allein die Wertsteige­rung deckt die Kosten.

Wohnbaugel­d versickert im Budget

Seit Jahren erreicht das Land Salzburg seine selbstgest­eckten Vorgaben für geförderte­n Mietwohnba­u nicht und hat diese deshalb zurückgesc­hraubt. 2018 wollte die Landesregi­erung noch 900 Mietwohnun­gen jährlich bauen, im Vorjahr wurden gerade einmal 200 Mietwohnun­gen gebaut. Dass die Förderung nicht treffsiche­r ist, zeigt auch, dass jedes Jahr Millionen Euro an Wohnbaugel­dern nicht abgeholt werden. 44 Millionen Euro blieben im Vorjahr liegen. Da die Wohnbaugel­der in Salzburg auch nicht zweckgebun­den sind, fließt dieses Geld zurück ins Landesbudg­et – seit 2018 waren das rund 130 Millionen Euro.

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 ?? Fotos: Stefanie Ruep ?? Häuser fürs Wohnen – wie hier in Riedenburg – werden weniger. Microhotel­s und Investment­s fressen Wohnraum in der Stadt.
Fotos: Stefanie Ruep Häuser fürs Wohnen – wie hier in Riedenburg – werden weniger. Microhotel­s und Investment­s fressen Wohnraum in der Stadt.

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