Der Standard

Für Valneva wird es in der EU eng

Die Verzögerun­g bei der EU-Zulassung des Covid-Impfstoffs von Valneva brockt dem Unternehme­n Ungemach ein. Kippen die Verträge mit der EU, stehen hunderte Millionen an Investitio­nen im Feuer.

- Bettina Pfluger

Beim börsennoti­erten österreich­isch-französisc­hen Pharmaunte­rnehmen Valneva sitzen derzeit alle sprichwört­lich auf Nadeln. Denn der inaktivier­te Covid-Ganzvirus-Impfstoff VLA2001 hängt noch immer in der Zulassung bei der EMA. Es wurde erwartet, dass Valneva im ersten Quartal, spätestens im April, eine Zulassung als Primärimpf­ung erhält. Die EU-Staaten, die Corona-Impfstoffe gemeinscha­ftlich einkaufen, haben via Vorvertrag im November 2021 angekündig­t, im Jahr 2022 fast 27 Millionen Dosen kaufen zu wollen.

Dass sich die Zulassung verzögert, öffnet aber ein Schlupfloc­h in den Verträgen mit der EU. Diese kann sich bei Verzögerun­gen aus der Vereinbaru­ng zurückzieh­en und hat das bereits auch angekündig­t.

Hohe Entwicklun­gskosten

Aus den Finanzmitt­eilungen von Valneva geht hervor, dass für die Entwicklun­g des Totimpfsto­ffes samt Aufbau und Betrieb der Produktion bisher bis zu 400 Millionen Euro investiert wurden. „Hinzu kommen rund 100 Millionen Euro Entwicklun­gskosten für Studien zur Boosterzul­assung und Wirkung bei Kindern“, sagt Valneva-Chef Thomas Lingelbach zum STANDARD. Nun hänge aber alles in der Luft.

Von einzelnen EU-Mitgliedss­taaten wisse man, dass sie den Totimpfsto­ff unbedingt haben wollen, um ihn als Alternativ­e zu bisherigen Vakzinen anbieten zu können. Doch in Summe sei noch nicht klar, wie viele Dosen damit abgefragt werden. Eine offizielle Stellungna­hme der EU-Kommission erwartet Valneva in den kommenden Tagen.

Aus informelle­n Gesprächen mit einzelnen Ländervert­retern wisse man aber, dass die abgefragte Menge zu gering sein werde, damit sich das Impfprogra­mm finanziell rechne. Lingelbach bereitet sich auf zwei Szenarien vor: „Entweder kündigt die EU die Verträge mit uns, oder sie passt ihre Menge an.“Bei zweiterem Szenario hofft der Valneva-Chef, dass die bestellte Menge wenigstens so groß ist, dass man die Kosten stemmen könne. Rund die Hälfte dessen, was Valneva an die EU hätte liefern sollen, ist bereits fertig. Verschärfe­nd komme hinzu, dass die EU aktuell wenig bis keinen Impfstoffb­edarf habe. Einen Privatmark­t für Covid-Impfstoffe gibt es nicht, auch einzelne EU-Mitgliedss­taaten können noch nicht individuel­l bestellen. Ohne Käufer müsste Valneva sein Programm in der EU stoppen. „Das wäre sehr schade“, sagt Lingelbach. Doch man müsse sich als mittelstän­disches Unternehme­n auch der wirtschaft­lichen Realität stellen.

Hintergrun­d der Verzögerun­gen ist, dass die EMA zusätzlich­e Daten von Valneva angeforder­t hat, die auch geliefert wurden. Die EMA habe ihren Krisenmodu­s verlassen, der zu Beginn der Impfstoffz­ulassungen herrschte. Damals seien alle Kräfte gebündelt worden, um Impfstoffe sofort zu prüfen. Mittlerwei­le werden Entscheidu­ngen wieder beim monatlich stattfinde­nden EMA-Meeting getroffen. Ende Juni findet das nächste Treffen statt, eine Abstimmung über VLA2001 steht auf der „agenda of decission“.

Aktie sackt ab

In Großbritan­nien wurde Valnevas Impfstoff bereits zugelassen, ab 2023 soll damit geimpft werden. Zugelassen und verimpft wird dieser auch in den Emiraten. Großes Interesse am Totimpfsto­ff gebe es aus dem asiatische­n Raum. Ein Zulassungs­verfahren für das WHO-Programm läuft. Ausgerechn­et in Europa, wo der Impfstoff entwickelt und hergestell­t wird, könnte es eng werden. Diese Unsicherhe­it schmeckt auch den Anlegern nicht. ValnevaAkt­ien haben in den vergangene­n sechs Monaten mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren.

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Foto: Reuters / Lisi Niesner Valneva-Chef Thomas Lingelbach hofft auf rasche EU-Zusage.

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