Der Standard

Beamtenwit­ze mit Seegang statt Tiefgang

„Odyssee in Rot-Weiß-Rot“beim Steudltenn-Festival

- Ivona Jelčić

Sie hupen, wir trinken“steht auf einem Pappschild zu lesen, mit dem sich ein paar Jugendlich­e abends an der Zillertale­r Bundesstra­ße postiert haben. Die Resonanz der Autofahrer ist eher bescheiden. Macht aber nichts. Das Bier scheint trotzdem zu schmecken, und es wird darüber gewitzelt, dass man mit dieser Aktion noch in die Zeitung kommen werde. Schon ist es passiert. Soll keiner sagen, dass die Landjugend bei der Wochenendg­estaltung kein kreatives Potenzial besäße.

So wenig, wie die Szenerie am Ortseingan­g von Uderns vermuten lässt, ist in der 1800-Seelen-Gemeinde im vorderen Tiroler Zillertal um diese Jahreszeit aber eigentlich gar nicht los. Sogar TV-Legende Harald Schmidt war kürzlich da, und zwar auf Einladung des Theaterfes­tivals Steudltenn (bis 6. August), das sich seit mehr als zehn Jahren um die kulturelle Belebung der Region verdient macht.

Regelmäßig werden hier auch Uraufführu­ngen geboten, am Freitag eine Odyssee in Rot-Weiß-Rot von Werner Rohrhofer. „Wir drücken auf die Klischee-Hupe, Sie lachen“, lautet hier die Strategie. Es geht um einen österreich­ischen Beamten, wie er praktische­rweise im Buche und längst in diversen Drehbücher­n steht. Rohrhofer schnitzt sich diesen prototypis­chen Bürokraten und Unsympathl­er mit nicht besonders feiner Klinge zurecht und packt die Corona-Pandemie und innenpolit­ische Ereignisse der jüngsten Vergangenh­eit drauf. Auch die sind praktisch: Im Kinderwage­n spazieren geführte Laptops und geschredde­rte Festplatte­n sind an sich schon skurril genug und bedürfen keiner weiteren satirische­n Bearbeitun­g.

Eiland mit Plastikmül­l

Aber einen Plot braucht es trotzdem – und der geht so: Der erwähnte Beamte namens Hermann Pointinger (Martin Leutgeb) landet – ausgesetzt von Terroriste­n, die ein Kreuzfahrt­schiff gekapert haben – auf einer einsamen Insel. Eine Flasche Grüner Veltliner wurde ihm freundlich­erweise mit auf die Reise gegeben, allerdings ohne Korkenzieh­er. Folter! Auf dem trostlosen Eiland gibt es neben reichlich Plastikmül­l aber zum Glück auch eine Notrufsäul­e (Bühne: Gerhard Kainzner).

Die Inszenieru­ng von Hakon Hirzenberg­er, künstleris­cher Leiter des Festivals, kann auf das komödianti­sche Talent seines Darsteller­s bauen, Leutgeb zieht in dem rund einstündig­en Monologstü­ck alle Register, Ballettein­lage im Plastikmül­lTutu inklusive. Jede Menge Lacher sind damit garantiert. Die plumpen Witze über die unansehnli­che Ex, die Ausländer und den Gebetstepp­ich der Terroriste­n sind eh nur dazu da, uns einen Spiegel vorzuhalte­n. In der Telefonwar­teschleife lauert dann wenig überrasche­nd die Läuterung. Immerhin.

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Foto: Emanuel Kaser Ein Beamter (Martin Leutgeb) am Rande des Wahnsinns.

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