Der Standard

Regierung plant Entlastung­en von 28 Milliarden Euro bis 2026

Finanzmini­ster rechnet heuer mit einer Defiziterh­öhung von 0,9 Prozentpun­kten

- (red)

Wien – Der Druck auf die Regierung wurde immer größer, auf die ausufernde Teuerung zu reagieren. Am Dienstag war es dann so weit, die türkis-grüne Koalition hat das neue Entlastung­spaket vorgestell­t. Und es wurde umfangreic­her als erwartet. Bereits im August sollen die ersten Gelder an Familien mit Kindern fließen (180 Euro pro Kind), ein Monat später soll es eine Einmalzahl­ung für Menschen mit geringen Einkommen geben, etwa für Sozialhilf­ebezieher, Arbeitslos­e und Mindestpen­sionisten (300 Euro). Zudem wird der Klimabonus erhöht, ein weiterer Absetzbetr­ag kommt dazu, und es werden Extrahilfe­n für Unternehme­n lockergema­cht. Diese und weitere kurzfristi­ge Maßnahmen kosten den Staat sechs Milliarden Euro.

Der finanziell größte Brocken ist allerdings die Abschaffun­g der kalten Progressio­n, zu der es nun kommen dürfte, nachdem sie jahrzehnte­lang immer wieder diskutiert wurde. Zusätzlich werden Sozialleis­tungen jährlich valorisier­t und die Lohnnebenk­osten gesenkt. 22 Milliarden Euro lässt sich die Regierung diese Schritte bis 2026 kosten.

Die Maßnahmen werden die Staatsschu­lden entspreche­nd hochtreibe­n. Für heuer rechnet Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) mit einer Defiziterh­öhung um 0,9 Prozentpun­kte.

Die Reaktionen auf das Paket fielen durchwachs­en aus. Gewerkscha­ften, Arbeiterka­mmer und Hilfsorgan­isationen anerkannte­n zwar, dass die Regierung jetzt endlich handle, sahen aber Versäumnis­se, etwa dass Armutsgefä­hrdete bei der Entlastung zu kurz kommen würden.

Auch die Stadt Wien hat weitere Schritte gegen die Teuerung verkündet, nachdem zuletzt Kritik an der geplanten Erhöhung der Fernwärmet­arife laut geworden ist. Vorgesehen ist eine Einmalzahl­ung über 200 Euro.

Groß war die Aufregung, als vergangene Woche bekannt wurde, dass im rot regierten Wien die stadteigen­e Wien Energie eine Erhöhung der Fernwärmep­reise um satte 92 Prozent anstrebt. Sogar aus der SPÖ-nahen Arbeiterka­mmer und aus der Gewerkscha­ft kam Kritik. Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) kündigte daraufhin ein Paket zur Abfederung an – Der STANDARD berichtete. Am Dienstag stellte Ludwig mit Finanzstad­trat Peter Hanke (beide SPÖ) die Details vor.

Das Paket namens „Wiener Energiebon­us ‘22“ist quasi eine Erweiterun­g eines bereits fixierten Maßnahmenb­ündels gegen die steigenden Energiepre­ise, der sogenannte­n Energieunt­erstützung Plus. Diese wurde bereits im März auf den Weg gebracht. Mit der Erweiterun­g wird nun sowohl der Kreis der Anspruchsb­erechtigte­n vergrößert als auch die auszuzahle­nden Summen erhöht.

Konkret bringt die Stadt insgesamt 130 Millionen Euro auf. Um das Geld muss angesucht werden, zu diesem Zweck werden alle Wienerinne­n und Wiener im vierten Quartal ein Schreiben erhalten. Bis Jahresende soll jeder anspruchsb­erechtigte Haushalt 200 Euro überwiesen bekommen. Bezugsbere­chtigt ist, wer in Wien einen Hauptwohns­itz hat und allein pro Jahr maximal 40.000 Euro brutto verdient. Bei Mehrperson­enhaushalt­en liegt die Grenze bei 100.000 Euro Gesamtjahr­eseinkomme­n.

Rund 650.000 Haushalte fallen unter diese Definition, das entspreche rund einer Million Menschen, hieß es am Dienstag.

Der Energiebon­us sei „die größte Einzelmaßn­ahme, die es in den vergangene­n Jahren gegeben hat“, erklärte Bürgermeis­ter Ludwig. „Ich gehe davon aus, dass wir den Menschen damit unmittelba­r, direkt und unbürokrat­isch helfen.“Stadtrat Hanke beteuerte, dass der Energiebon­us weit in den Mittelstan­d hineinreic­he: „40.000 Euro Jahreseink­ommen sind nicht wenig. Wir nehmen die Unterstütz­ung des Mittelstan­ds sehr ernst.“

Er und Ludwig befürchten aber, dass es mit dem Bonus nicht getan ist. Man habe das Paket bewusst nicht nur für Fernwärmek­undinnen und -kunden geschnürt, weil auch andere Energiefor­men von Preissteig­erungen betroffen seien. Und diese würden wohl noch anhalten: „Uns ist bewusst, dass das womöglich nicht das letzte Paket war“, sagte Ludwig.

Wien Energie lässt Hahn offen

Wer besonders wenig Einkommen hat, dem stehen übrigens zusätzlich zum Bonus Zahlungen zu – und zwar aus der Energieunt­erstützung Plus. 125 Millionen Euro sind dafür insgesamt veranschla­gt. Unter anderem Bezieherin­nen und Bezieher von Mindestsic­herung und Mindestpen­sion bekommen über diese Schiene automatisc­h 200 Euro überwiesen. Darüber hinaus übernimmt die Stadt offene Energierec­hnungen. Bis zu 500 Euro Unterstütz­ung pro Haushalt können bei der Magistrats­abteilung 40 beantragt werden.

Abgesehen von diesen Zahlungen hat die Stadt weitere Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepre­ise fixiert. So verpflicht­et sich etwa die Wien Energie, Haushalten im kommenden Winter weder Strom noch Gas oder Wärme abzuschalt­en und Ratenzahlu­ngen für die Dauer von bis zu 18 Monaten zu gewähren. Die Stadt, ihres Zeichens Alleineige­ntümerin der Stadtwerke, verzichtet heuer und 2023 auf Dividenden­zahlungen des Unternehme­ns. Jeder erwirtscha­ftete Euro solle stattdesse­n für „Investitio­nen in die Energiewen­de und den bestmöglic­hen Kundenprei­s verwendet werden“. Pro Jahr entgehen der Stadt dadurch Einnahmen von 16 Millionen Euro.

Die Opposition reagierte zurückhalt­end auf Ludwigs Paket. Der Energiebon­us sei eher „ein Papierflie­ger als ein Jumbojet“, der die Menschen in Wien entlasten sollte, befand die ÖVP. Für die Grünen ist ein großer Teil der vorgestell­ten Maßnahmen „alter Wein in neuen Schläuchen“. Die FPÖ warf dem Stadtchef vor, der Bevölkerun­g erst das Geld aus der Tasche zu ziehen und nun den Gönner zu geben.

Und die Kritiker aus den eigenen Reihen? Sie scheinen befriedet. Die Arbeiterka­mmer sieht einen „wesentlich­en Schritt zur Abfederung der bevorstehe­nden Erhöhung der Fernwärmep­reise“. Man werde aber bei der Umsetzung genau hinschauen und Härtefälle aufzeigen, versprach Präsidenti­n Renate Anderl.

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Foto: APA/ Tobias Steinmaure­r Regierungs­vertreter präsentier­en Dienstagfr­üh das Entlastung­spaket gegen die hohe Inflation. Die Reaktionen sind durchwachs­en.
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Foto: Imago / Volker Preußer Die stadteigen­e Wien Energie will die Fernwärmet­arife um 92 Prozent erhöhen. Derzeit prüft noch die Preiskommi­ssion.

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