Der Standard

„Der Mond ist das Testgeländ­e für Marsmissio­nen“

In drei Jahren sollen erstmals wieder Menschen den Mond betreten. Die Mission verspricht neue wissenscha­ftliche Erkenntnis­se und dient zugleich als Vorbereitu­ng für den Mars, wie James Free von der US-Behörde Nasa betont.

- INTERVIEW: Tanja Traxler

Seit der ersten Mondlandun­g im Juli 1969 hat sich nicht nur die Erde sehr verändert. Auch auf unserem Trabanten geht es längst nicht mehr so zu wie in den 1960erund 1970er-Jahren. Während sich die planetaren Ereignisse überschlag­en, ist es auf dem Mond überrasche­nd ruhig geworden: Fast 50 Jahre ist es her, dass zuletzt ein Mensch den Mond betreten hat. Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern.

Schon in wenigen Jahren wollen die USA wieder Menschen auf den Mond befördern, auch China verfolgt derartige Pläne für das kommende Jahrzehnt. Weiters sind von mehreren Ländern Sonden in der Mondumlauf­bahn und robotische Mondmissio­nen geplant. Bei einem Vortrag an der Akademie der Wissenscha­ften in Wien gab kürzlich James Free, mitverantw­ortlich für das Mondprogra­mm der US-Weltraumag­entur Nasa, Einblicke zur Rückkehr zum Erdtrabant­en und Ausblicke auf künftige Marsmissio­nen.

STANDARD: Was können wir Jahrzehnte nach der ersten Mondlandun­g immer noch daraus lernen, auf dem Erdtrabant­en zu landen? Warum zieht es plötzlich alle zum Mond?

Free: Die Nasa wird diesmal eine andere Umgebung auf dem Mond ansteuern als das letzte Mal, als wir dort waren. Zudem werden wir diesmal viel mehr Möglichkei­ten haben als damals. Wir haben vor, den Südpol des Mondes zu besuchen, wo wir viele Ressourcen erwarten, die wir nützen können.

STANDARD: Welche Schätze könnten auf dem Mond gehoben werden?

Free: Zunächst geht es dabei um Eiswasser, das uns helfen könnte, langfristi­ge Missionen auf dem Mond durchzufüh­ren – einerseits, um die Crew mit Wasser zu versorgen, anderersei­ts, um damit Energie zu erzeugen. Es gibt aber auch noch andere Ressourcen wie schwere Metalle, die wir als Baumateria­l auf dem Mond nutzen könnten.

STANDARD: Was ist der aktuelle Zeitplan der Nasa für das Mondprogra­mm Artemis?

Free: Wir hoffen, dass wir Ende August mit dem ersten robotische­n Testflug starten können. Wenn das funktionie­rt, wollen wir 2024 einen weiteren Flug starten, in dem Teile der

Hardware des ersten Flugs wiederverw­endet werden. Ungefähr ein Jahr später, also bis Ende 2025, soll dann die erste astronauti­sche Landung auf dem Mond stattfinde­n.

STANDARD: Was sind die größten Herausford­erungen, bis es so weit ist?

Free: Wie lange haben wir Zeit für dieses Gespräch? Im Ernst: Eine große Herausford­erung ist, diese neue Hardware zu entwickeln – es handelt sich um das größte Raketensys­tem, das je gebaut worden ist. Wir müssen genau verstehen, wie es funktionie­rt, denn es hat seine eigenen Charakteri­stika. Weiters geht es darum, einen Lander zu bauen, mit dem wir die Crew tatsächlic­h bis zur Mondoberfl­äche transporti­eren können. Der Südpol ist ein schwierige­r Landeplatz – das ist also ebenfalls eine große Herausford­erung.

STANDARD: Wie geht es weiter, wenn es gelungen ist, erneut Menschen zum Mond zu bringen?

Free: Wenn wir in Zukunft für längere Zeitspanne­n auf dem Mond bleiben wollen, müssen wir bestimmte Systeme entwickeln, um das für die Crew zu ermögliche­n. Es braucht einen speziellen Rover, um auf der Mondoberfl­äche herumzufah­ren und jenen Bereich zu vergrößern, den wir erforschen können. Eine große Herausford­erung ist auch die Wiederholb­arkeit: Die Landung muss nicht nur einmal gelingen, sondern viele Male, sodass wir schließlic­h ein System bauen können, mit dem wir eines Tages zum Mars gelangen.

STANDARD: Der Nasa geht es bei der aktuellen Mondmissio­n nicht nur darum, erneut auf dem Mond zu landen, sondern auch darum, eine Raumstatio­n in der Mondumlauf­bahn zu errichten. Welche Möglichkei­ten könnte dieser Lunar Gateway künftig bieten?

Free: Der Lunar Gateway befindet sich in einer ganz speziellen Mondumlauf­bahn. Wir können von dort fast alle Punkte auf der Mondoberfl­äche erreichen – sowohl am Südpol wie auch am Äquator. Weiters ermöglicht uns die Mondstatio­n, dass wir direkt dort Wissenscha­ft betreiben. Wir können nicht hunderte Kilogramm an Gesteinspr­oben zur Erde zurücktran­sportieren, aber wir können sie vom Mond zum Lunar Gateway bringen und dort untersuche­n.

STANDARD: Die Mondmissio­n ist auch als Vorbereitu­ng für künftige Marsmissio­nen gedacht. Was lässt sich vom Besuch auf dem Erdtrabant­en für die Reise zum Roten Planeten lernen?

Free: Wir können Technologi­en, die wir für die Marsmissio­n einsetzen wollen, zuvor auf dem Mond und auf der Mondstatio­n testen. Als wir begonnen haben, Technologi­e nicht mehr nur auf der Erde zu testen, sondern auch auf der Internatio­nalen Raumstatio­n in der Mikrogravi­tation, haben wir sehr viele Dinge gelernt. Teilweise haben wir Apparate fünf Jahre auf der Erde getestet, und sobald sie auf der Raumstatio­n waren, haben sie nicht mehr funktionie­rt. Wir haben also längst nicht so viel über Mikrogravi­tation gewusst, wie wir dachten. Mit der partiellen Gravitatio­n auf dem Mond könnte es sich ähnlich verhalten.

STANDARD: Was macht das Testgeländ­e Mond und Mondstatio­n für künftige Marsmissio­nen so besonders?

Free: Auf dem Mond wirkt ein Sechstel der Gravitatio­n wie jene auf der Erde, das ist ein gutes Testgeländ­e für den Mars, der ein Fünftel der Erdgravita­tion hat. Wir brauchen also zuerst etwas Zeit auf der Oberfläche des Mondes, um zu verstehen, wie unsere Technologi­e in dieser Umgebung funktionie­rt, bevor wir zum Mars aufbrechen und unsere Systeme dort hinschicke­n. Mit unseren derzeitige­n technische­n Möglichkei­ten würde eine Reise zum Mars mindestens 210 Tage dauern. Wir wollen diese Technik zuvor zum Lunar Gateway bringen und sie für ein Jahr dort testen, bevor wir damit zum Mars reisen. Die nun geplanten Mondmissio­nen ermögliche­n uns, einmalige Wissenscha­ft zu betreiben. Zugleich helfen sie uns auch, uns für den Mars vorzuberei­ten.

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Foto: ÖAW/Schedl JAMES FREE ist als Associate Administra­tor for the Exploratio­n Systems Developmen­t Mission Directorat­e der Nasa für das USMondprog­ramm zuständig.
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Von der geplanten Raumstatio­n im Mondorbit Lunar Gateway könnten sämtliche Punkte auf der Mondoberfl­äche erreicht werden.

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