Der Standard

GEISTESBLI­TZ

Krebsforsc­hung auf molekulare­r Ebene

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Die Diagnose Krebs zieht jedem erst einmal den Boden unter den Füßen weg. Doch noch schlimmer ist es, wenn man von einer Form betroffen ist, welche nicht oder nur schwer behandelba­r ist. Dies ist etwa bei Lungenkreb­serkrankun­gen der Fall, denen eine Mutation des Kras-Gens zugrunde liegt. Dieses Protein ist aufgrund seiner Struktur bisher durch klassische Inhibitore­n nicht angreifbar. Im Zuge ihrer Masterarbe­it untersucht­e Anna Köck, Studierend­e der FH Campus Wien, am Nationalen Krebsforsc­hungsinsti­tut in Madrid einen neuen Ansatz für eine vielverspr­echende Therapiefo­rm.

Krebs entsteht, wenn sich Zellen unkontroll­iert teilen. Grund hierfür sind Mutationen von Genen, die die Zellteilun­gen steuern, unter anderem das Gen Kras. In normalen Zellen wechselt Kras zwischen einem aktiven und inaktiven Status und gibt Signale durch eine Kaskade an Proteinen, so auch Raf-1, weiter. Weist eine Zelle Kras-Mutationen auf, dann bleibt Kras dauerhaft aktiv, was zu unkontroll­ierbaren Zellteilun­gen führt.

Jede einzelne Zelle im menschlich­en Körper besitzt Mechanisme­n, womit alte oder fehlerhaft­e Proteine abgebaut werden können. Dazu kennzeichn­et die „Markierung­smaschine“der Zelle die Proteine, die entsorgt werden sollen. Im zweiten Schritt kommt der zellintern­e Müllschluc­ker, das Proteasom, und baut markierte Proteine ab. Dieses System nutzte Köck für den Abbau von Raf-1, um den Signalweg in Krasmutier­ten Zellen zu unterbrech­en und somit unkontroll­ierte Zellteilun­gen zu verhindern.

Neue Wirkstoffe, sogenannte Protacs (proteolysi­s targeting chimeras), fungieren als Bindeglied zwischen dem Zielprotei­n und der Markierung­smaschine und zwingen Raf-1 eine Markierung zum Abbau auf. Im Gegensatz zu klassische­n Inhibitore­n, die die enzymatisc­he Funktion eines Proteins hemmen, haben Protacs den Vorteil, das gesamte Protein abbauen zu können, was selbst bei bisher „unangreifb­are“Proteinen funktionie­rt.

Die Versuche zeigten in vitro, mithilfe von Zellkultur­en, vielverspr­echende Ergebnisse für den Abbau von Zielprotei­nen. In vivo, am lebenden Organismus, wird es komplizier­ter, und Abbaueffiz­ienz, Toxizität und therapeuti­scher Effekt auf die Krebsentwi­cklung müssen noch weiter untersucht werden. Generell stecken Protacs noch in den Kinderschu­hen und müssen sich erst als Medikament beweisen. „Das ist also nur ein winzig kleiner Beitrag in einer langen Reise“, sagt Köck.

Die FH Campus Wien nominierte Köck für den Würdigungs­preis des Wissenscha­ftsministe­riums, der ihr im November 2021 verliehen wurde. In ihrer Doktorarbe­it an der Universitä­t Lausanne möchte sie sich nun mit den zellulären Mechanisme­n von Endothelze­llen auseinande­rsetzen. Diese befinden sich an der Innenseite von Blutgefäße­n und erfüllen den Zweck, Nährstoffe und Sauerstoff aus dem Blut zu umliegende­n Zellen zu transporti­eren. Die Grundlagen­forschung zu Endothelze­llen ist wichtig, da beispielsw­eise Tumoren abnormale Blutgefäße aufweisen und auch Medikament­e Endothelze­llen passieren müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. (kg)

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Anna Köck erforschte, mit welchen Methoden Lungenkreb­s in Zukunft besser therapiert werden könnte.*

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