Der Standard

Expertenlo­b und Opposition­skritik

- Martin Tschiderer, Katharina Mittelstae­dt

Politisch sorgt das Entlastung­spaket der Bundesregi­erung für geteilte Reaktionen. Türkis-Grün agiere inmitten der aktuellen Teuerungsw­elle endlich proaktiv, sagen Politologe­n. Ob das der Koalition helfe, sei jedoch fraglich. Die Opposition stellt unterdesse­n zusätzlich­e Forderunge­n wie Preisdecke­l und Steuersenk­ungen.

Die Regierung pries ihr Antiteueru­ngspaket mit Superlativ­en. Auch von vielen Fachleuten gab es Lob. Die Sozialpart­ner bewerteten die Umsetzung zwar weitgehend positiv, Gewerkscha­ften, Arbeiterka­mmer und NGOs sahen aber auch zentrale Versäumnis­se. Und die Opposition­sparteien fanden am vorgestell­ten Plan naturgemäß mehrerlei kritikwürd­ig.

Dass die Maßnahmen insgesamt positiv bewertet würden, erschwere Kritik durch die Opposition, sagt Politikber­ater Thomas Hofer. „Es ist dennoch nicht davon auszugehen, dass deshalb die Sympathiew­erte der Regierung plötzlich in die Höhe schnellen.“Schließlic­h, und das sagt auch der Politologe Peter Filzmaier, handle es sich um ein Krisenthem­a. Da gehe es vor allem um Abfederung und einen Dämpfungse­ffekt. Bestenfall­s hätten Teile der Bevölkerun­g das Gefühl, sie können die Kosten des Alltagsleb­ens nun etwas besser berappen – und würden es den Regierungs­parteien danken.

„Die Regierung hat die letzte Möglichkei­t ergriffen, proaktiv zu handeln“, sagt Filzmaier. Oder wie Hofer es nennt: „Es ist ein Lebenszeic­hen der Koalition.“Darüber hinaus seien mit der Abschaffun­g der kalten Progressio­n jahrzehnte­lange politische „Wiedergäng­er“umgesetzt worden. Eine langanhalt­ende Trendumkeh­r für die in Umfragen deutlich angeschlag­ene Regierung erwartet Hofer dennoch nicht: Das Paket sei ein wichtiges Gegengift, das aber nicht lange anhalten wird.“

Kritik an Einmalzahl­ungen

Schärfere Töne stimmten die Opposition­sparteien gegenüber dem STANDARD an. Josef Muchitsch, Arbeits- und Sozialspre­cher der SPÖ, kritisiert, dass zwar mehrere Sozialleis­tungen künftig an die Inselpreis, flation angepasst werden, nicht aber das Arbeitslos­engeld, die Sozialhilf­e und die Ausgleichs­zulage. „Ich kann mich als Bundeskanz­ler nicht hinstellen und von einem sozial gerechten Paket sprechen, wenn dann hunderttau­sende Menschen ausgenomme­n sind“, sagt Muchitsch.

Das Prinzip der Einmalzahl­ungen kritisiert er, weil diese nicht langfristi­g beim Einkaufen wirken würden. „Wenn die Inflation weiter steigt, was ist dann im Jänner, Februar, März?“, fragt Muchitsch. Die SPÖ fordere daher einen Preisdecke­l bei Grundnahru­ngsmitteln, Energie, Treibstoff und Mieten.

Der Budgetspre­cher der FPÖ, Hubert Fuchs, kritisiert, dass „die Ursachen der Inflation nicht bekämpft werden“. Ohne dämpfende Maßnahmen werde durch das Paket nichts billiger, sagt Fuchs. Zwar könnten viele Faktoren von Österreich aus nicht beeinfluss­t werden. Beim Diewo 49 Prozent aus Steuern und Abgaben bestehen, gebe es aber Möglichkei­ten zur Preisreduk­tion. Die FPÖ fordert eine massive Senkung von Steuern und Abgaben.

Laut Neos nicht treffsiche­r

Auch die Kosten von Grundnahru­ngsmitteln und Mieten müssten laut Fuchs reduziert werden. Die Abschaffun­g der kalten Progressio­n solle zudem nicht erst mit 2023, sondern rückwirken­d zum 1. Jänner 2022 greifen: „Das wäre eine direkte Entlastung der Steuerzahl­er.“

Neos-Budgetspre­cherin Karin Doppelbaue­r spricht von einem „Gießkannen­prinzip“, mit dem es für alle ein bisschen etwas gebe. Treffsiche­rheit würde definitiv anders aussehen, das Budget werde aber stark belastet. Die angepeilte Senkung der Lohnnebenk­osten sei dagegen zu gering, um tatsächlic­h zu entlasten. Bei der Abschaffun­g der kalten Progressio­n komme es darauf an, nach welchem Modell der Automatism­us zur Erhöhung der Steuerstuf­en berechnet werde. „Ich bin gespannt, wie viel von der Inflation im Endeffekt tatsächlic­h an die Menschen zurückgege­ben wird.“

Die durch die Abschaffun­g der kalten Progressio­n wegfallend­en Mehreinnah­men für den Staat müssten zudem anders kompensier­t werden. Aus Sicht der Neos solle das durch Einsparung­en mit einer Pensions- und Föderalism­usreform passieren. „Ein schneller Gewinn wäre außerdem, sich die umweltschä­dlichen Förderunge­n anzuschaue­n“, sagt Doppelbaue­r.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) schloss weitere Maßnahmen wie die Senkung der Mehrwertst­euer auf Lebensmitt­el am Donnerstag nicht aus. Der Nationalra­t tritt in Sachen Paket am Donnerstag zu einer Sondersitz­ung zusammen.

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