Wie Österreich sich das Entlastungspaket leisten kann
Niedrige Zinsen und die hohe Inflation selbst sorgen dafür, dass das Paket finanzierbar sein dürfte
Bei dieser Zahl kann einem schon der Kopf schwirren. Mit bis zu 28 Milliarden Euro werden Menschen im Land und Unternehmen nach den Zahlen der türkisgrünen Koalition entlastet. Da fragt sich: Können wir uns das leisten?
Zunächst werden die 28 Milliarden Euro nicht von heute auf morgen ausgegeben. Das geschieht über fünf Jahre verteilt bis inklusive 2026. Heuer kosten die beschlossenen Entlastungen für Haushalte den Staat fünf bis sechs Milliarden Euro. Im kommenden Jahr wirkt sich dann erstmals schon die Abschaffung der kalten Progression aus.
Nun gibt es Zweifel daran, ob es wirklich 28 Milliarden sein werden. Die Regierung kumuliert dauerhafte Entlastungen, rechnet sie also jedes Jahr ein, auch wenn sie Bürger nur einmal spüren. So oder so: Die Maßnahmen kosten viel Geld.
Interessant ist, dass sich laut Einschätzung von Expertinnen und Experten an der Schuldenstruktur Österreichs dennoch wenig verändern wird. Vom Fiskalrat wurde kurz vor der Präsentation des aktuellen Pakets die Entwicklung der Schuldenquote prognostiziert. Demnach sollten die Schulden bis 2025 auf rund 72 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken – von aktuell um die 80 Prozent. Daran wird sich nicht groß etwas ändern. Laut dem Finanzministerium soll die Schuldenquote bis 2026 nach neueren Schätzungen bei 74 Prozent liegen – und zwar unter Berücksichtigung der Entlastungen.
Der Staat gibt viele Milliarden aus, und dennoch bleibt die Schuldenquote stabil? Wie geht das? Eine Reihe von Faktoren wirken zusammen: Zunächst hilft die Inflation. Die Staatsverschuldung wird immer in Prozent der Wirtschaftsleistung angegeben. Und hier wirkt es sich aus, wenn die Inflation hoch ist. Denn die nominelle Wirtschaftsleistung, um die es hier geht, also der Wert der erzeugten Produkte und Dienstleistungen sowie bezahlten Löhne, wächst automatisch kräftiger, wenn die Preise stärker steigen.
Der Staat nascht mit
Dazu kommt, dass die hohe Inflation dafür sorgt, dass der Staat mehr einnimmt. Zwischen Jänner und April 2022 hat der Staat bei der Umsatzsteuer um fast zwei Milliarden Euro mehr eingenommen als im selben Zeitraum 2021. Das liegt an den höheren Preisen für Sprit, Lebensmittel und Co. Dieser Effekt darf nicht überschätzt werden. Der Staat muss auch mehr ausgeben: für Gehälter etwa. Aber insgesamt dürfte die Inflation mehr Geld in die Kassen spülen.
Dazu kommt, dass vielleicht zum letzten Mal der Finanzminister von niedrigen Zinsen profitiert. Seit Jahren sinken die Ausgaben des Staates für seine Staatsschulden. Die Zinsen steigen zwar nun wieder, aber das wirkt sich nur nach und nach aus.
All diese Effekte führen dazu, dass auch die Neuverschuldung Österreichs, also das Defizit, recht moderat steigen sollte. „Alles in allem sind die budgetären Spielräume vorhanden“, sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Christoph Badelt, Chef des Fiskalrates, sieht das ähnlich. „Dafür, was leistbar ist, gibt es aktuell angesichts der österreichischen Situation bei den Staatsschulden keine offensichtliche Grenze.“
Leistbar heißt nicht, dass die Ausgaben auch Sinn machen. Badelt: Ein Teil der Entlastungen komme ärmeren Menschen zugute, die extrem unter der hohen Inflation stöhnen. „Das müssen wir uns leisten“, so Badelt. „Zugleich aber gibt es umfassende Entlastung für Menschen, die es nicht unbedingt bräuchten“, so der Chef des Fiskalrates. Gemeint ist damit, dass auch Reiche von Einmalzahlungen profitieren, aber vor allem davon, dass die kalte Progression abgeschafft wird, von der Gutverdiener mehr haben.