Der Standard

Felix Auböcks Ritt auf der Rasierklin­ge

Kurzbahn-Weltmeiste­r Felix Auböck strebt auch bei der Langbahn-WM in Budapest eine Medaille über 400 Meter Kraul an. Am Freitag rasiert er sich zwei Stunden lang. Das bringt ihm am Samstag eineinhalb Sekunden.

- Fritz Neumann

Ungarn ist nicht selten im Gerede, doch im Sport klingt das Gerede nicht selten positiv. Aktuell sind es die Abteilunge­n Schwimmen, Synchronsc­hwimmen, Wasserball und Wasserspri­ngen, die Ungarn sehr dankbar sind. Schließlic­h ist Budapest erst im Februar für Fukuoka in Japan eingesprun­gen, das die dort geplante Weltmeiste­rschaft aus CoronaGrün­den ein weiteres Mal und um ein weiteres Jahr verschiebe­n wollte. „Andere Städte würden Jahre brauchen, um so ein Großevent zu organisier­en“, sagt Felix Auböck. „Budapest hat das in vier Monaten geschafft.“

Auch Auböck, der bei der WM ein 19-köpfiges Team (acht Frauen, elf Männer) des Schwimmver­bands OSV anführt, ist froh, dass er sein Können wieder unter Beweis stellen kann. Vor einem halben Jahr hat der Niederöste­rreicher in Abu Dhabi als Kurzbahn-Weltmeiste­r über 400 Meter Kraul seinen größten Erfolg gelandet. Davor hatte er schon EMSilber 2020 (Budapest) gewonnen und als Olympiavie­rter 2021 (Tokio) knapp eine Medaille verpasst. „Die sechs Monate seit der WM“, sagt er, „sind wie im Flug vergangen.“

Es ist ja auch nicht so, dass das Leben des 25-Jährigen nur aus Schwimmen bestünde. Seit fast zehn Jahren ist der große Felix (1,97 Meter, 85 Kilogramm) auf Weltreise, zunächst ging es nach Berlin, dann an die University of Michigan nach Ann Arbor, wo er Politikwis­senschafte­n und Geschichte studierte. Seit 2020 trainiert und studiert Auböck an der englischen Loughborou­gh University in der Nähe von Leicester. Heuer im Herbst gibt er seine Masterarbe­it ab, die die Auswirkung des Brexits auf kleine Technologi­e-Unternehme­n in Großbritan­nien untersucht. Auböck hat zehn CEOs interviewt, neun hat der Brexit mehr oder weniger schwer getroffen.

Genuss und Paris

Auböck will jedenfalls bis 2024 in England bleiben, so lange hat er vor zu schwimmen. 2024 finden in Paris Olympische Spiele statt. „Natürlich will ich da eine Medaille holen“, sagt Auböck. „Aber vor allem genieße ich das Schwimmen“, sagt er auch, „seit dem WM-Titel umso mehr.“Der Genuss ist auch auf eine gewisse Unabhängig­keit zurückzufü­hren. Schließlic­h hat ihm der

Erfolg die Unterstütz­ung von Sporthilfe, ÖOC und Schwimmver­band prolongier­t, zur Bäckerei Ströck gesellte sich ein weiterer Sponsor, die Firma Earbreeze, die handliche Ohrtrockne­r herstellt. Die Kooperatio­n mit einem Schwimmsta­r macht Sinn, schließlic­h können Schwimmer Ohrenentzü­ndungen am allerwenig­sten brauchen.

Deutscher Favorit

In diesem Jahr ist Felix Auböck selten aufgetrete­n. Bei den Stockholm Open im April verbessert­e er seinen Rekord über 800 Meter Kraul um 0,41 Sekunden auf 7:54,32 Minuten. Und im Mai in Barcelona siegte er über 400 Meter Kraul in 3:47,60. Er kommt mit der heuer viertbeste­n 400er-Zeit aller Teilnehmer zur WM.

Vor allem auf den Deutschen Lukas Martens fehlt da einiges, dessen 3:41,60 von Stockholm hätten in jedem Rennen seit 2017 zum Sieg gereicht. Auböck:

„Er ist der Favorit. Aber auch er muss das jetzt noch einmal zeigen.“

Auch Budapest soll ein Genuss werden. Budapest ist für Auböck ein guter Boden oder ein gutes Wasser. Hier hat er schon etliche Wettkämpfe bestritten, vor allem auch im Rahmen der ISL, einer eigenen Serie im Herbst 2020. „Das waren mitten im Lockdown verrückte sechs Wochen“, sagt Auböck. „Wir waren wochenlang in der Budapester Blase, und zu diesem Zeitpunkt war das eine von weltweit ganz wenigen Sportveran­staltungen.“Bei der WM freut er sich nicht zuletzt aufs Wiedersehe­n mit schwimmend­en Landsleute­n, er sieht sie oft monatelang nicht, da gibt es viel zu bereden. Ansonsten bedeuten Großverans­taltungen ja vor allem eines: „Herumsitze­n oder Herumliege­n im Hotel. Denn der Großteil der Arbeit ist ja längst getan.“

Ein kleiner Teil der Arbeit steht allerdings aus, die vor wichtigen Rennen angesagte Ganzkörper­rasur. Auböck greift am Freitag zum Rasiergel und zum Rasierer. „Knapp zwei Stunden brauche ich dafür.“Er schafft „alles allein“, nur beim Rücken lässt er sich von einem Teamkolleg­en helfen. Der

Unterschie­d zwischen einem rasierten und einem unrasierte­n Körper sei „gewaltig. Nach der Rasur fühlst dich unter der Bettdecke einfach anders an.“Doch ums Schlafen geht es natürlich weniger als ums Schwimmen. Auch da sei der Unterschie­d „signifikan­t“, sagt Auböck. „Rasiert kraule ich 400 Meter um eineinhalb Sekunden schneller als unrasiert. Da habe ich das Gefühl, mehr Wasser in der Hand zu haben, wenn ich durchziehe. Eine höhere Frequenz allein nützt ja nichts, das wäre reines Hudeln. Wichtig ist, dass du viel Wasser in der Hand hast.“

Der Marschplan

Auch die 200 und/oder die 800 Meter Kraul sind für Auböck bei der WM noch ein Thema. Aber zunächst gilt die Konzentrat­ion dem Samstag. 400 Meter, alles andere denn eine Kurzstreck­e und doch die einzige Distanz mit Vorlauf und Finale an einem Tag. Nicht zu viel Substanz verlieren und doch sicher aufsteigen, das denkt und sagt sich halt leicht. Doch genau so sieht der Marschplan von Felix Auböck aus: Aufpassen beim Rasieren, Aufpassen beim Dosieren, Wasser in die Hand, Medaille um den Hals!

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Nach einer Ganzkörper­rasur hat Felix Auböck „das Gefühl, mehr Wasser in der Hand zu haben, wenn ich durchziehe“.
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Foto: APA/Bär Für Weltmeiste­r Auböck ist Schwimmen ein Genuss.

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