Die Nummer eins, mal zwei
Wolfgang Ambros feierte in der Wiener Stadthalle sein 50-jähriges Bühnenjubiläum
Mittwoch, Stadthalle. Vor gut 6000 Besucherinnen und Besuchern betritt die Nummer eins den Saal: Applaus, Security. Groupies laufen, Fotografen drängen, Selfies mit Fans werden gemacht. Der Mann ist beliebt, keine Frage. Dann setzt sich Alexander Van der Bellen unter die Leute, um auf den Auftritt der anderen Nummer eins dieses Abends zu warten.
Diese kommt kurz darauf: Wolfgang Ambros betritt unter Zuhilfenahme von Skistöcken die Bühne. Diese sind kein Gimmick für seinen Song zum Thema, der Held der heimischen Liedermacherei hat viele Leiden, der Rücken ist eines seiner Probleme, doch er hält sich wacker. Sein Zungenschlag verheißt gute Laune, und die wird er bringen, aber hallo.
Anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums steht er da oben an einen Hocker gelehnt. Er kündigt alte und ganz alte Songs an – mit dem Nachsatz: „Neue hamma eh kane.“Er kichert, der Saal johlt, wir sind eine große Familie. Dieser Abend ist kein Klassentreffen eines älteren Jahrgangs. Kinder sind da, jede Menge Teenager und Twentysomethings, die jede Textzeile mitsingen. Mit Verwahrlost aber frei beginnt er, I drah zua folgt, dann der Ignorantenstadl. Dazwischen gibt der 70-Jährige Anekdoten zum Besten. Die siebenköpfige Band ist souverän, Ambros gut bei Stimme, ambitioniert und konzentriert.
Volkslieder
Bei manchen Liedern stehen einzelne Personen auf, ergeben sich diesen vor allen – irgendetwas muss ihnen der Song bedeuten. Kein Wunder. Der Mann da oben, der aus seinen Gefühlen und Umständen nie einen Hehl gemacht hat, der viele gute und ein paar andere Platten veröffentlicht hat, dem man das Leben ansieht, der gezeichnet ist, wie er dem begeisterten Saal gleich ausrichten wird, der ist für viele Menschen ein Lebensbegleiter.
Den Wolferl gibt es seit den frühen 1970ern, er hat mit Marianne Mendt Austropop begründet, den Begriff hasst er artgerecht, und trotz aller Widrigkeiten steht er da. Sein Freund Georg Danzer ist tot, dessen Jö, schau spielt er im zweiten Konzertteil, Willi Resetarits ehrt er mit Feia. Der Saal tobt, Ambros ruft am Ende des Lieds „Willi!“und schickt dem Verstorbenen ein Bussi mit der Hand gen Himmel.
Im zweiten Teil ist die Prognose Langsam wochs’ ma z’amm für ihn und sein Publikum zur Diagnose geworden. Seine Lieder sind Volkslieder im besten Sinn des Wortes, vom kollektiven Gedächtnis des Landes verinnerlicht. Sein Talent, Vorstadtschmäh mit dem Morbiden zu kreuzen, zieht sich durch sein Werk, Gezeichnet für’s Leben ist vielleicht der Höhepunkt an diesem Abend, wenngleich im Zugabenblock Zentralfriedhof oder Der Hofa warten. Der Saal bebt, ist hin und weg. Die eine Nummer eins spendet der anderen stehend Beifall. Ein großer Abend.